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2.1.2 Professionalisierung durch Ausschluss
Musizieren wurde in europäischen Gesellschaften schon seit langer Zeit sowohl von
darauf spezialisierten Personen ausgeführt als auch von jenen, deren Haupttätigkeit
eine andere war.28 Gegensätzliche Begriffspaare dafür gibt es genug
– LiebhaberIn-
nen und VirtuosInnen, AmateurInnen und BerufsmusikerInnen etc.
– wobei deren
Bedeutungen untereinander nicht völlig austauschbar sind. Im Laufe des 18. und
19.
Jahrhunderts veränderten sich allerdings sowohl die Relevanz dieser Unterschei-
dung als auch das Verhältnis der derart kategorisierten Gruppen zueinander
– und
das in verschiedenen Musikstilen, Genres und Musizierformen.
Begriffsgeschichtlich verortet Winfried Pape eine bedeutende Differenzierung
zwischen diesen Gegensätzen in der Form von Liebhaber und Dilettant auf der
einen, Virtuose, Musicus und Künstler auf der anderen Seite bereits gegen Ende
des 17. Jahrhunderts. Demnach wurden die Begriffe „Liebhaber“ und „Dilet-
tant“ zu dieser Zeit weder abwertend verwendet noch verwiesen sie auf eine
unterschiedliche fachliche Bildung von AmateurInnen und Professionellen. Eine
Hierarchisierung dieses Verhältnisses sieht Pape erst an der Wende vom 18. zum
19.
Jahrhundert im Zuge von Abgrenzungsversuchen der Professionellen und der
zunehmenden Konkurrenz um knappe Verdienste.29 Es ist aber anzunehmen, dass
diese Differenzierung
– die sich im Übrigen auf die Kunstmusik beschränkte
– zu
dieser Zeit nur für eine kleinere Gruppe von Personen auch praktische Geltung
erlangt haben dürfte.
Das änderte sich mit der oben beschriebenen Entwicklung der Musik für die
Massen. In der Kunstmusik führte die Tendenz hin zu „promenades“ und „Mons-
terkonzerten“
– groß angelegten Orchesterkonzerten
– zur Verdrängung von Lieb-
haberInnen und DilettantInnen aus dem öffentlichen Musikleben. Hatten diese
z. B. in Wien gegen Ende des 18.
Jahrhunderts noch den Großteil der öffentlichen
Aufführungen bestritten,30 so konnten sie in den Jahrzehnten danach nicht mehr
mit der Darbietungsqualität und den Vermarktungsmöglichkeiten professionell
Musizierender mithalten: „Concerts of this order spelled the death of the public
amateur orchestral tradition.“ 31 Hinzu kam die Durchsetzung ‚ernster‘ Kunstmu-
sik im Gegensatz zur ‚leichten‘ Musik, die ebenfalls professionelles Musizieren
begünstigte: „… the experience of the musical sublime demanded the service of
accomplished professionals to create and perform the works that evoked it
– amateur
28 Vgl. Kaden, Professionalismus.
29 Pape, Amateurmusiker, 245 f.
30 Handlos, Entwicklung, 220.
31 Weber, Mass Culture, 13. Entwicklungen vor 1918 25
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Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Titel
- Über die Produktion von Tönen
- Untertitel
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Autor
- Georg Schinko
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Kategorie
- Kunst und Kultur