Seite - 35 - in Über die Produktion von Tönen - Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
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der Musik klare Definitionen des Musikerberufs fehlten, wussten sowohl Befürwort-
erInnen als auch GegnerInnen der Privilegierung von Berufsmusizierenden meistens
doch so ungefähr, was unter Beruf zu verstehen war. Im Gegensatz zu dem Befund von
Lynn Sargeant, wonach die Definition des/der professionellen MusikerIn im Zentrum
der Debatte stand,65 ging es hier vielmehr um die Konsequenzen, die mit den
– meist
relativ eindeutigen
– Kategorisierungen verbunden waren. Nicht jede/r, der/die gegen
Verdienst musizierte, war BerufsmusikerIn. So wurden die NebenberufsmusikerIn-
nen, die neben dem Musizieren auch noch einen anderen Beruf hatten, vielfach als
NichtberufsmusikerInnen bezeichnet. Wie an anderer Stelle bereits heraus
gearbeitet
wurde,66 waren es vor allem das Fehlen nicht-
musikalischer Verdienste einerseits, ein
gewisses Maß an Ausbildung bzw. Talent andererseits, die jemanden zum/zur Berufs-
musikerIn machten.
Diese Eigenschaften zeigen sich in den Konstruktionen beider Seiten eines
zentralen Konflikts des Musizierens in der Zwischenkriegszeit: Sollten Berufs-
musikerInnen in ihrem erwerbsmäßigen Musizieren gegenüber Nichtberufs-
musikerInnen privilegiert bzw. erwerbsmäßiges Musizieren überhaupt nur für
BerufsmusikerInnen erlaubt werden? Die sozialistische Musikergewerkschaft
forderte dies bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts.67 In den ersten Jahrzehn-
ten des 20. Jahrhunderts konnten einige Vertreter der sozialistischen Partei zu
Anträgen für Musikergesetze bewegt werden, die die Zugehörigkeit zum Musi-
kerberuf durch Qualifikation bzw. Prüfungen festlegen und/oder nur berufsmäßig
Musizierenden den Erwerb erlauben sollten.68 Keiner der Anträge wurde in ein
65 Sargeant, Class, 41 f.
66 Schinko, Annäherungen.
67 Vgl. etwa die Versuche des Wiener Musikerbundes, das Musikergewerbe als konzessioniertes
Gewerbe neu zu konstituieren: „… es möge die Ausübung der Musik
[…] als concessioniertes
Gewerbe erklärt werden und die Ertheilung des Gewerbescheines an gewisse Bedingungen
[…]
geknüpft werden.“ (Österreichische Musiker- Zeitung (1893), Nr. 2, 7) Oder auch eine Ein-
gabe des Musikerverbandes an das Unterrichtsministerium: „Personen, die in den Städten
Oesterreichs Musik gegen Entgelt ausüben, müssen diese Berechtigung durch den Besitz einer
amtlichen Legitimation nachweisen.“ (Österreichisches Staatsarchiv, AVA, Bundes ministerium
für Unterricht, Musik in genere, 1934, Zl.
12.763, Österreichischer Musikerverband, Schreiben
an Herrn Ministerialrat Dr. Karl Wisocko, 3. Mai 1933).
68 Antrag der Abgeordneten Heinl, Fischer und Genossen vom 21. April 1920, betreffend die
Erlassung eines Gesetzes über die Regelung der Berufsverhältnisse im Musiker- und Musik-
lehrerstande, Beilage Nr.
811, 74. Sitzung der konstituierenden Nationalversammlung; Antrag
der Abgeordneten Sever, Allina, Pick, Seidel Richard und Genossen vom 3.
März 1927 auf ein
Musikergesetz, Beilage Nr. 330/A, 182. Sitzung des Nationalrates; Antrag der Abgeordne-
ten Müller, Sever, Pick und Genossen vom 18. Oktober 1928 auf ein Musikergesetz, Beilage
Nr. 179/A, 62. Sitzung des Nationalrates.
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Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Titel
- Über die Produktion von Tönen
- Untertitel
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Autor
- Georg Schinko
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Kategorie
- Kunst und Kultur