Seite - 36 - in Über die Produktion von Tönen - Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
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Musikergesetz umgesetzt. Erst 1933 wurde im Austrofaschismus eine Verordnung
mit ganz ähnlichem Inhalt erlassen,69 wonach die erwerbsmäßige Ausübung des
Musizierens sowie der künstlerischen Leitung des Musizierens an Berechtigungs-
scheine, d. h. an Qualifikation und/oder Talent, geknüpft wurde. Der Musiker-
beruf stand im Titel der Verordnung, auch wenn er in den Bestimmungen selbst
nicht mehr erwähnt wurde.
In der Folge propagierten die (nun ständestaatliche) neu gegründete Musiker-
gewerkschaft sowie der für die Ausgabe von Berechtigungsscheinen zuständige
Musikerring Beibehaltung bzw. Ausbau der Privilegierung von BerufsmusikerIn-
nen. Bekämpft wurden diese Forderungen vor allem von den Organisationen der
NichtberufsmusikerInnen bzw. Land- und VolksmusikerInnen, die sich seit Ende
der 20er- Jahre konstituiert hatten.70 Wenn auch die prinzipielle Kategorisierung
als BerufsmusikerInnen oder AmateurInnen von ihnen nicht angegriffen wurde,
versuchten diese Organisationen doch, die damit einhergehenden Hierarchisie-
rungen infrage zu stellen. Mit dem Verweis auf die lange Tradition der Land- und
Volksmusik und den idealistischen Charakter des Nichtberufsmusizierens propa-
gierten sie die Gleichheit der beiden Musizierformen bzw. sogar eine moralische
Überlegenheit des Nichtberufsmusizierens.71 Unterstützung erhielten sie auch von
69 Verordnung der Bundesregierung vom 28.
Dezember 1933, BGBl Nr.4, über die Ausübung des
Kapellmeister- und des Musikerberufes (Kapellmeister- und Musikerverordnung). Wenn die in
der Verordnung festgelegten Mechanismen zum Schutz der BerufsmusikerInnen weitgehend
deckungsgleich mit den vorherigen Anträgen waren, so sind doch interessante Unterschiede
im Detail festzustellen, die die politische Ausrichtung der Antragsteller zeigen. So nahm die
Verordnung von 1934 etwa explizit VereinsmusikerInnen, MusikerInnen in kleinen Orten und
GelegenheitsmusikerInnen in Heurigen aus ihren Bestimmungen aus, während der Antrag
von 1927 hingegen ArtistInnen, Zigeunerkapellen und fremdländische MusikerInnen sowie
BettelmusikantInnen ausgenommen hätte.
70 Der Bund der Nichtberufsmusiker Österreichs entstand aus einigen lokalen Organisationen von
Nicht- oder NebenberufsmusikerInnen und wurde ab 1929 überregional tätig. Der Obmann
des Bundes war illegales NSDAP-Mitglied. Seine Nachfolgeorganisation war ab 1934 der
Reichsverband für Österreichische Volksmusik. Vertreter dieser Organisation waren kurzzeitig
auch im Musikerring vertreten, bevor diese Zusammenarbeit aufgekündigt wurde. Infolge
wurde gegen die Musikerverordnung agitiert, was im Juli 1936 sogar zur Beschlagnahmung
der Zeitschrift durch die Sicherheitsdirektion des Landes Niederösterreich führte. 1936 wurde
der Verband in die Vaterländische Front eingegliedert. Vgl. zu einer ausführlichen Darstellung
der Nichtberufsmusikerverbände Zwittkovits, Pflege, 433 ff. In diesem Zusammen hang ist
auch der kurzlebige Reichsverband der Nichtberufsmusiker zu erwähnen, der sich zwischen
1923 und 1924 konstituierte und wieder auflöste.
71 Vgl. z. B. Alpenländische Musiker- Zeitung (1930), Nr. 10, 91 f.; Alpenländische Musiker-
Zeitung (1935), März, 1 – 6.
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Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Titel
- Über die Produktion von Tönen
- Untertitel
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Autor
- Georg Schinko
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Kategorie
- Kunst und Kultur