Seite - 39 - in Über die Produktion von Tönen - Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
Bild der Seite - 39 -
Text der Seite - 39 -
Organisationen der Land- und VolksmusikerInnen wiesen diesen Vorwurf zurück.
Man würde nur aus Idealismus musizieren und daher auch nicht erwerbsmäßig tätig
sein, wenn auch hin und wieder ein Entgelt bezahlt würde:
Wenn es auch in jeder Kapelle Mitglieder gibt, denen einige Schillinge immer recht will-
kommen sind, ist Geld, Musikverdienst, ihnen doch nicht die Hauptsache
[…]. Das
[…]
Wirken der Land- und Volksmusiker ist ein freiwilliges, in seinem grundsätzlichen Wesen
nicht auf Erwerb berechnet.81
Die wirtschaftlichen Grundlagen dafür, Musizieren zum Beruf
– d. h. im Sinne der
Musikergewerkschaft auch: zum alleinigen Verdienst – zu machen, waren in den
ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nicht günstig. Weiter oben wurden mit
Massenkultur und Entstehung von Freizeit Entwicklungen des 19. Jahrhunderts
beschrieben, die berufliches Musizieren für eine größere Gruppe von Musizierenden
leichter möglich machten. Dazu kam in den Jahren der Hyperinflation (bis 1923)
eine starke Investitionstätigkeit im Bereich der Dienstleistungen, die u. a. auch eine
Vervielfachung der Nachfrage nach Musizierenden durch Vergnügungslokale bedeu-
teten
– eine Nachfrage, die auf tönernen Füßen stand.82 Es ist aber anzunehmen, dass
das Angebot an (beruflich oder nicht- beruflich) Musizierenden die Bedürfnisse des
Publikums noch überstieg.83 Folgt man den Annahmen, die Klaus Nathaus für Ber-
lin trifft, dann hätte der Zuwachs an grundlegend unterfinanzierten Musiklokalen
nach dem Ersten Weltkrieg dazu geführt, dass diese zunehmend weniger Geld für
Musizierende aufwendeten
– „semi- professionals as well as foreign musicians
[…]
stepped forward and offered their services“.84 Das Überangebot an Musizierenden
war aber auch durch die geringen Chancen, Unterhalt durch andere Tätigkeiten
zu erwerben, zustande gekommen. Musik als traditioneller Not- Unterhalt 85 wurde
von vielen genutzt: „Die Wiener Musikakademie wirft jährlich eine Unmenge
ausübender Musiker auf den Arbeitsmarkt. Abgebaute aus allen erdenklichen
Berufen ergreifen das Musikinstrument, um damit sich ihren Lebensunterhalt zu
81 Der österreichische Land- und Volksmusiker (1936), Nr. 6 – 7, 1 – 3, hier 2.
82 Sandgruber, Ökonomie, 357, 359.
83 Aufgrund fehlender gesicherter Daten zur Anzahl der Musizierenden in diesem Zeitraum kann
hier nur auf Berichte von Musizierenden und deren VertreterInnen zurückgegriffen werden.
Die periodischen Volkszählungen sind aufgrund der häufigen Änderung der Erhebungskate-
gorien
– so gab es etwa 1869 erst neun unterschiedliche Berufe, 1934 bereits 189
– und deren
Ermittlung für diese Frage wenig brauchbar.
84 Nathaus, Popular Music, 768.
85 Siehe Kapitel 2.3.2. Differenzierungen und Konflikte 1918 – 1938 39
zurück zum
Buch Über die Produktion von Tönen - Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938"
Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Titel
- Über die Produktion von Tönen
- Untertitel
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Autor
- Georg Schinko
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Kategorie
- Kunst und Kultur