Seite - 52 - in Über die Produktion von Tönen - Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
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Kontrolle über den Zugang zum Musikerberuf gesehen wurde.146 Dennoch gab es nach
zeitgenössischer Ansicht Musizierpraktiken, die weder in die eine noch in die andere
Kategorie fielen und daher sehr wohl der Gewerbeordnung unterliegen konnten, wie
etwa „die gewerbsmäßige Ausübung der Instrumentalmusik
[…] wenn sie mit einem
bestimmten Standorte verbunden ist […] bzw. Aufführungen außerhalb des Stand-
ortes nur auf Bestellung stattfinden“.147 Doch auch hier gab es Gegenstandpunkte
etwa einzelner Landesbehörden, die aufgrund der Ausnahmen der Gewerbeordnung
keine irgendwie geartete Existenz eines Musikergewerbes anerkannten.148 Die doppelte
Verwaltung unselbstständigen Musizierens mittels Lizenzen und Gewerbescheinen
wurde in der Praxis jedenfalls jahrzehntelang durchgeführt, wenn auch wiederholt
Verbände von LizenzinhaberInnen forderten, in die Gewerbeordnung aufgenommen
zu werden.149 Die Lizenzvergabe wurde nicht zuletzt wegen großer Willkür in der
Vergabe bzw. Vidierung durch Landes- und Gemeindebehörden als Schlechterstellung
gegenüber Gewerbescheinen gesehen. Doch auch eine eingehende Untersuchung dieser
Frage durch das Handelsministerium 1932 kam nur zu dem Schluss, dass es wohl eine
gewerbliche Ausübung von Musik gäbe, dass aber sowohl der Unterschied zwischen
Gewerbe und Lizenz als auch eine Abgrenzung zwischen „schönen Künsten“ und
anderer Musik schwer gesetzlich geregelt werden könne.150 Eine endgültige Lösung
dieser Situation brachte erst die Musiker- und Kapellmeisterverordnung von 1934, die
die „Ausübung der Musik in jeder Form“ von den Bestimmungen der Gewerbeordnung
ausnahm und an die Stelle des Gewerbescheines den Berechtigungsschein setzte.151
146 Newhouse, Artists, 281 ff.
147 Mischler/Ulbrich (Hg.), Staatswörterbuch, 885. Ab 1893 versuchte die Wiener Statthalterei sogar,
sämtliche nicht in festen Engagements stehende MusikerInnen in einer Musikergenossenschaft
zu organisieren und als Musikgehilfen und -lehrlinge zu kategorisieren. Der Musikerverband
agitierte gegen diese Bemühungen, da ihm zufolge die Genossenschaftsstruktur für Musizie-
ren nicht geeignet wäre und vor allem das Musikergewerbe nicht konzessioniert, sondern frei
gewesen wäre. Es gelang ihm, innerhalb kurzer Zeit die Kontrolle über die Genossenschaft zu
übernehmen und sie dadurch de facto zu lähmen. Die Wiener Musikergenossenschaft wurde
bereits 1894 wieder abgeschafft (Oesterreichische Musiker- Zeitung (1893), Nr. 17, 69 – 70).
148 Österreichisches Staatsarchiv, AVA, Bundesministerium für Unterricht, Musik in genere, 1932,
Zl. 10.718, Musikergewerbe). Vgl. dazu auch Newhouse, Artists, 345 ff.
149 Vgl. etwa zu Forderungen der BettelmusikantInnen in diese Richtung Illustriertes Wiener
Extrablatt (1925), 1.
Mai, 6; zu Forderungen von ProduktionslizenzinhaberInnen Österreichi-
sches Staatsarchiv, AdR, Bundeskanzleramt/Ministerium für Inneres, Schaustellungen etc.,
1919, Zl. 7.777, Schausteller Deutschösterreichs. Neuregelung der bezüglichen Vorschriften.
150 Österreichisches Staatsarchiv, AVA, Bundesministerium für Unterricht, Musik in genere, 1932,
Zl. 10.718, Musikergewerbe.
151 Verordnung der Bundesregierung vom 28. Dezember 1933 über die Ausübung des Kapell-
meister- und des Musikerberufes (Kapellmeister- und Musikerverordnung), §16.
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Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Titel
- Über die Produktion von Tönen
- Untertitel
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Autor
- Georg Schinko
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Kategorie
- Kunst und Kultur