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2.3.4 Kunst und Unterhaltung werden abgegrenzt 152
Ungeachtet dessen, dass im Untersuchungszeitraum unterschiedliche Auffassungen
darüber herrschten, was Kunst in der Musik bedeutete,153 wurde das Kriterium der
Kunst immer wieder herangezogen, um verschiedene Musizierpraktiken bzw. verschie-
dene Arten von Musik voneinander zu unterscheiden. Wie weiter oben dargestellt
wurde, war die Frage nach Kunst oder Nicht- Kunst u. a. im Rahmen der Gewerbe-
ordnung (aufgrund der Ausnahme der schönen Künste) wie auch für die Frage nach
dem Status des/der Angestellten (aufgrund des Kriteriums der freien Künste) maß-
geblich.154 Die Frage, wann Musik noch oder schon Kunst war, beschäftigte Arbeits-
gerichte und Ausstellbehörden von Gewerbescheinen ebenso wie die ihnen überge-
ordneten Behörden.155 Dabei wurde nicht selten auch die Kompetenz der Behörden,
künstlerische Urteile zu fällen, auf die Probe gestellt.156
Die Kategorisierung in Kunst und Nicht- Kunst war aber nicht für rechtlich-
administrative Belange wichtig. Künstlerisch zu musizieren ermöglichte den Zugang
zu bestimmten Aufführungsorten ebenso, wie es den Zugang zu anderen verwehrte.
Kunst zu produzieren, wurde in bestimmten Kreisen als Qualitätsmerkmal gesehen,
das den Wert des eigenen Musizierens erhöhte. Damit ist freilich noch nicht gesagt,
dass jede/r, der/die im musikalischen Kunstbetrieb tätig war, die gleiche Auffassung
davon hatte, was Kunst war. Die altbekannte Trennung in Avantgarde- Künstler
und Arrivierte zeigte sich etwa in den zeitgenössischen Debatten um die „Neue
152 Dieses Kapitel wird aufgrund der ausführlicheren Behandlung von Kunst in der Zwischen-
kriegszeit in Kapitel 5 kurz gehalten.
153 Siehe die ersten Seiten von Kapitel 5.
154 Wie Nathalie Heinrich zeigt, wurde der Begriff des Künstlers in Frankreich erst in den letz-
ten Jahren des 18.
Jahrhundert überhaupt in die juristische Sprache aufgenommen (Heinrich,
Dimensionen, 3).
155 „Unter ‚Ausübung der schönen Künste‘ ist […] jede Betätigung künstlerischer Richtung
und Qualität […] zu verstehen. Das Kriterium für die ‚Ausübung der schönen Künste‘ ist
also nicht in der Originalität des künstlerischen Produkts und der schöpferischen Betä-
tigung, sondern in der Qualität der künstlerischen Leistung zu suchen, weshalb es an
einem objektiven und absolut verlässlichen Masstab dafür gebricht, wie weit bezw. eng die
Grenzen des Begriffes ‚Ausübung der schönen Künste‘ zu ziehen sind.“ (Österreichisches
Staatsarchiv, AVA, Bundesministerium für Unterricht, Musik in genere, 1932, Zl. 10.718,
Musikergewerbe).
156 „Das Spiel des Klägers ist, wie sich das Gericht durch die vorgenommene Probe überzeugt
hat, lediglich als Fertigkeit zu werten, seinem Spiel fehlt alles, was von einem künstlerischen
Spiel verlangt wird.
[…] die Vortragsweise ist eine durchaus banale, ohne jeden persönlichen
Stil, ohne schöpferische Gestaltungskraft, sein Spiel ist vor allem nicht durchgeistigt und
nicht beseelt“ (Bundesministerium für Justiz (Hg.), Sammlung. 8. Jahrgang, 24).
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Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Titel
- Über die Produktion von Tönen
- Untertitel
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Autor
- Georg Schinko
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Kategorie
- Kunst und Kultur