Seite - 54 - in Über die Produktion von Tönen - Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
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Musik“ von Arnold Schönberg. Nicht zuletzt führte die Kategorisierung von Musik
als Kunst auch zu veränderten Produktionsbedingungen: Wie Alfred Smudits dar-
stellt, war diese Kategorisierung für die Legitimierung staatlicher Musikförderung
wichtig. Der Staat (bei Smudits im 19. Jahrhundert vor allem verstanden als Ver-
tretung des Bürgertums) übernahm die Förderung spezifisch bürgerlicher Musik,
vor allem „autonomer“ und „klassischer“ Kunstmusik
– eine Förderung, die oftmals
bis heute andauert.157 Damit entstand ein Gegenentwurf und Korrektiv zu dem
im 19. und 20.
Jahrhundert ansonsten vorherrschenden Modell des Musikmarktes,
was die Mechanismen des Absatzes und der Distribution betrifft.
Aus der Perspektive zeitgenössischer Akteure gab es verschiedene Musizier-
praktiken und -kategorien, die im Gegensatz zu Musik als Kunst standen. Die
Unterscheidung zwischen künstlerischem und handwerklichem Musizieren zielte
auf die kreativen Fähigkeiten des/der Musizierenden ab,158 ebenso die Unterschei-
dung zwischen künstlerischem und dilettantischem Musizieren (welche darü-
ber hinaus noch die Erwerbsmäßigkeit des/der Musizierenden thematisierte).159
Ein zentraler Gegensatz der Zwischenkriegszeit, der von vielen zeitgenössischen
Akteuren kommentiert wurde, war allerdings jener zwischen Kunst- und Unter-
haltungsmusik.160 Die Aufspaltung von Musik in ernste und Unterhaltungsmusik
tauchte vermehrt erstmals im frühen 19.
Jahrhundert auf. Sowohl der Versuch des
Bildungsbürgertums, sich von anderen Teilen des Bürgertums abzuheben, als auch
die ‚Entdeckung‘ autonomer Musik (im Gegensatz zur funktionalen Musik) sowie
klassischer Musik 161 waren dafür maßgeblich.162 ‚Ernste‘ Musik wurde
– zumindest
im musikästhetischen Diskurs – immer mehr gleichgesetzt mit autonomer bzw.
Darbietungs- Musik, während Unterhaltungsmusik in den Bereich des Funktionalen
verwiesen wurde.163 Dabei entstanden diese Kategorien nicht nur als Reaktion auf
157 Smudits, Wandlungsprozesse, 120.
158 Vgl. z. B. Kiener, Kunst, 2996 – 2999.
159 Vgl. etwa Sponheuer, Kenner.
160 Heller, Zeit, 115. Vgl. dazu auch die Überlegungen von Caspar Maase: „Man kann heute nicht
über Populärkultur sprechen, ohne damit über Hochkultur zu sprechen.“ (Maase, Vergnügen,
31). Maase plädiert infolge dafür, nicht die Werke selbst, sondern die unterschiedlichen Praxis-
formen der ästhetischen Erfahrung in den Blick zu nehmen. Bernd Sponheuer vertritt die Auf-
fassung, dass frühere gelehrte Differenzierungen zwischen Kunst und Unterhaltung nicht nur
zeitgenössische Kategorisierungen beeinflussten, sondern auch gegenwärtige Differenzierungen
sowohl der Musikwissenschaft als auch des Alltagshandelns konstituierten (Sponheuer, Musik,
1 ff).
161 Weber, Musician, 15 f.
162 Schormann, Lieder, 66 f.; Giesbrecht- Schutte, Stand, 114.
163 Smudits, Wandlungsprozesse, 121.
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Buch Über die Produktion von Tönen - Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938"
Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Titel
- Über die Produktion von Tönen
- Untertitel
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Autor
- Georg Schinko
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Kategorie
- Kunst und Kultur