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1906 verstand er sich als „reine Interessensvertretung der Orchestermusiker“,187
was sich in den folgenden Jahrzehnten aber stark veränderte. In diesem Zeit-
raum entstand eine Reihe von Untergruppen des Musikerverbandes wie jene der
Salonmusiker und jene der Orchestermusiker, aber auch eine Untergruppe der
Nebenberufsmusiker 188 – insgesamt mehr als 25 Untergruppen. Eigenen Anga-
ben zufolge hatte der Musikerverband 1918 1.300 Mitglieder,189 während etwa das
Wirtschaftsstatistische Jahrbuch für 1930 5.000 Mitglieder zählte.190 Angaben
über die Mitgliederzahl schwanken je nach Quelle und Jahr stark. In jedem Fall
dürfte die Mehrheit der Mitglieder in Wien tätig gewesen sein. 1934 wurde der
Musikerverband wie viele andere Vereine, die der sozialistischen Ideologie zuge-
rechnet wurden, aufgelöst. An seine Stelle trat ab 1934 der Ring der ausübenden
Musiker Österreichs (kurz: Musikerring)191 mit dem Druckwerk „Der österreichi-
sche Musiker“. Dabei handelte es sich um eine vom austrofaschistischen Regime
per Verordnung geschaffene Organisation mit Zwangsmitgliedschaft für praktisch
jede/n, der/die erwerbsmäßig musizierte.192 Dementsprechend hoch war auch die
Mitgliederzahl im Vergleich mit der des Musikerverbandes: nach Angaben der
Organisation der Land- und VolksmusikerInnen betrug sie im Jahre 1936 17.000
Mitglieder.193 Auffallend ist die – trotz vorgeblicher ideologischer Opposition der
beiden Gewerkschaften
– weitgehend deckungsgleiche Themen- und Positionswahl.
Für beide Gewerkschaften waren neben besseren sozialrechtlichen Absicherungen
vor allem der Kampf gegen die „Schmutzkonkurrenz“ der DilettantInnen, die For-
derung nach einer gesetzlich abgesicherten Musikkammer sowie Agitation für die
187 Österreichische Musiker- Zeitung (1906), Nr. 40, 255 – 256, hier 255.
188 Die Untergruppe der Nebenberufsmusiker trat 1924 bei, wechselte aber bereits 1930 zur –
damals zahlenmäßig noch relativ bedeutungslosen – christlichsozialen Gewerkschaft über
(Arbeit und Wirtschaft (1924), Nr.
6, 257; Österreichische Musiker-
Zeitung (1925), Nr.
15 – 16,
64; Die Volksmusik (1930), Nr. 4, 5). Eine Aufstellung aller Untergruppen des Musikerver-
bandes ließ sich leider nicht finden.
189 Protokoll der XI. ordentlichen Delegiertenversammlung vom 27. und 28.
März 1918, Beilage
der Österreichischen Musiker- Zeitung (1918), 3. August, 12.
190 Kammer für Arbeiter und Angestellte in Wien (Hg.), Jahrbuch, 172.
191 Formal existierte neben dem Musikerring eine eigene Gewerkschaft der Musiker. In der Praxis
waren beide Organisationen über personelle Mehrfachbesetzungen und gemeinsame Druck-
werke eng miteinander verbunden (Zwittkovits, Amateurmusik, 562). Ich beschäftige mich hier
vor allem mit dem Musikerring, da dieser neben der Interessenvertretung der Musizierenden
die Ausgabe und Kontrolle der Musikerberechtigungsscheine durchführte und dadurch auch
zahlenmäßig größere Relevanz besaß.
192 Bundesgesetz vom 8.
Juni 1934, BGBl Nr.
55, betreffend Schaffung des „Ring der ausübenden
Musiker Österreichs“, §2.
193 Der österreichische Land- und Volksmusiker (1936), Nr. 1 – 2, 7 – 9, hier 8.
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Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Titel
- Über die Produktion von Tönen
- Untertitel
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Autor
- Georg Schinko
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Kategorie
- Kunst und Kultur