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Ein Indikator, der besonders offensichtlich in Konflikten zwischen unterschied-
lich positionierten AkteurInnen verwendet wurde, war die Arbeitslosenquote. Unter
der alleinigen Berücksichtigung der hauptberuflich Musizierenden ermittelte die
Volkszählung von 1934 eine Arbeitslosenquote von etwa 26 Prozent.224 Hingegen
sprach der Musikerverband 1933 von 75
Prozent Arbeitslosen unter den MusikerIn-
nen.225 Die unterschiedlichen Zielsetzungen in der Produktion dieser Zahlen sind
offensichtlich. Auch die Zahlen, die der Musikerverband über die Auswirkungen
der mechanischen Musik auf die Beschäftigungsquote von MusikerInnen vorlegte,
standen in diesem Kontext. So wurden die Einführung von Tonfilm und Rundfunk
für eine Reduktion der MusikerInnen in Wiener Kinos von 1.100 auf 14, in Wiener
Konzertbetrieben von 900 auf 300, in Konzertbetrieben außerhalb Wiens von 1.700
auf 450 verantwortlich gemacht.226 Der Musikerring führte den Kampf gegen die
mechanische Musik fort – auch mit Zahlen: Demnach hätten zwischen 1923/1926
und 1937 in Wien 3.278 MusikerInnen, das sind 77 Prozent aller zuvor beschäftig-
ten MusikerInnen, ihre Arbeitsplätze verloren.227 Die mechanische Musik wurde
dabei als katastrophale Entwicklung für das berufsmäßige „lebendige“ Musizieren
dargestellt. Auch über das Ausmaß staatlicher Unterstützung durch Vermittlung
von Stellen und Arbeitslosengeld wurden Angaben gemacht: Während in Wien
laut Volkszählung 1934 1.662 MusikerInnen/MusiklehrerInnen/KapellmeisterIn-
nen arbeitslos waren,228 verzeichnete das zuständige Wiener Arbeitsamt für das Jahr
1932 nur 600 gemeldete MusikerInnen.229 Der Musikerverband gab für dasselbe Jahr
die Anzahl der Arbeitslosengeld beziehenden MusikerInnen in Wien mit 653 an.230
Über die Beschäftigungsverhältnisse gibt u. a. die Unterscheidung von stän-
digen und fallweisen Engagements Auskunft. Die mangelnden Möglichkeiten,
längerfristige Engagements zu erhalten, wurden von den Musikergewerkschaften
immer wieder thematisiert. Aufschlussreich ist hier ein Bericht über die Kontrolle
224 Bundesamt für Statistik (Hg.), Ergebnisse. Bundesstaat Tabellenheft, 314.
225 Österreichisches Staatsarchiv, AVA, Bundesministerium für Unterricht, Musik in genere, 1933,
Zl. 1.694, Österreichischer Musikerverband, Schreiben an den Präsident der Radioverkehrs
A. G., 17. Jänner 1933.
226 Österreichisches Staatsarchiv, AVA, Bundesministerium für Unterricht, Musik in genere, 1933,
Zl.
16.047, Österreichischer Musikverband, Schreiben an das Bundeskanzleramt, 25.
Mai 1932.
227 Debatte im Bundestag betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1938, 46. Sitzung des
österreichischen Bundestages, 24. November 1937, 636 – 638.
228 Bundesamt für Statistik (Hg.), Ergebnisse. Bundesstaat Tabellenheft, 314.
229 Österreichisches Staatsarchiv, AVA, Bundesministerium für Unterricht, Musik in genere, 1932,
Zl. 34.508, Arbeitsamt für Angestellte, Schreiben an das Bundesministerium für Unterricht,
21. Dezember 1932.
230 Österreichische Musiker- Zeitung (1932), Juli, 1.
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Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Titel
- Über die Produktion von Tönen
- Untertitel
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Autor
- Georg Schinko
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Kategorie
- Kunst und Kultur