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den immer wichtiger, also Kommunikationskompetenz und
Konfliktmanagement. In diesem Zusammenhang geht es um
das allgemeine Wohlfühlen, auch als „Mood-Management“
bezeichnet. Dabei werden – dies gilt gerade für reiseerfah-
rene ältere Personen oder Personen im Management mit viel
Reisetätigkeit – nicht länger die Urlaubsziele, sondern die Be-
friedigung des Wunsches nach Service, Convenience sowie
nach ganzheitlichen Wohlfühlkonzepten ausschlaggebend.
Dieser Aspekt könnte ein wichtiger Ansatzpunkt für Ver-
meidungsmaßnahmen sein, wenn dadurch z. B. der Inlands-
tourismus mit bequemer Anreise gefördert werden könnte
(Schuckert und Müller 2006; Kästle 2012). Auf der anderen
Seite ist diese Urlaubsform durch Kurzreisen gekennzeichnet,
die auch mehrfach im Jahr durchgeführt werden. Dies ist im
Hinblick auf die Treibhausgasemissionen ungünstig.
Individualisierung
Ein weiterer wichtiger Trend wird unter dem Begriff „In-
dividualisierung“ zusammengefasst. Dieser Begriff steht in
der Gesellschaft für einen reduzierteren Wertekonsens und
eine Wertepluralität im Tourismus für Individualurlaub im
Baukastensystem. Das bedeutet auch eine Abkehr von An-
geboten und Urlaubsorten, die durch Massentourismus (Over-
tourism, d. h. zeitliche und räumliche Konzentrationseffekte)
gekennzeichnet sind. Immer mehr Menschen wünschen sich
im Urlaub ganz spezielle, auf sie persönlich abgestimmte
Reiseangebote, die man ggf. auch aus vororganisierten
Bausteinen individuell zusammensetzen kann (Zellmann
und Mayrhofer 2015; Bandi Tanner und Müller 2019). Ex-
klusivität und Abenteuer werden angestrebt und ein Ort, der
noch individuell entdeckt werden kann. Man erwartet maß-
geschneiderte Reisen, die Erlebnisse garantieren, durch die
der Urlaub einzigartig wird und sich von bisherigen Ferien
unterscheidet. Dazu passt auch, dass in der Tourismusbranche
das traditionelle Zielgruppenverständnis, insbesondere eine
Gruppierung nach demografischen Merkmalen, ausgedient
hat. Bereits heute geht es um Erlebnisgruppen, die sich über
den jeweiligen Lebensstil definieren. Diese Ausrichtung an
der Erlebnisqualität eines Angebots ist unabhängig von Alter,
Geschlecht und Einkommen. Die Angebotsbreite wird da-
durch schwer überschaubar, doch gleichzeitig kann auf jedes
Bedürfnis eingegangen werden (Pröbstl-Haider et al. 2015).
In diesem Bereich sind auch Impulse durch neue Techno-
logien zu erwarten.
Authentische Angebote, attraktive Landschaft,
Nachhaltigkeit und Ökolifestyle
Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Globalisierung
auch der Alltagswelt und spürbarer Auswirkungen des Post-
fordismus (Wirtschaftsorientierung) in allen gesellschaftli-
chen Bereichen gewinnen Regionalität und Authentizität als
Gegenpole im Tourismus an Bedeutung. Urlaubsdestinatio-
nen sollen nicht austauschbar sein. Tourismusveranstalter und Hoteliers müssen ihre ganz speziellen Produkte und die
Besonderheiten ihrer Destination daher künftig noch stärker
positionieren (Wenzel und Kirig 2006).
Immer wichtiger werden nicht austauschbare Elemente,
wie die spezifische Schönheit einer Landschaft, die Sehens-
würdigkeiten der Umgebung und lokale Spezialitäten und
Traditionen. Von steigender Bedeutung sind in diesem Zu-
sammenhang auch die Sauberkeit der Unterkunft, aber auch
die Wasserqualität und die Qualität von Lebensmitteln. Darü-
ber hinaus finden viele Menschen einen Urlaub nur dann ent-
spannend, wenn auch die Sicherheit vor Ort und der Schutz
vor Risiken gewährleistet sind. Ein nachhaltiger Lebensstil
im Alltag fördert auch den Wunsch nach einem ethischen und
umweltfreundlichen touristischen Angebot. Dies gilt aller-
dings nur, solange andere Aspekte wie Erlebnisorientierung,
Genuss, Spaß und Individualität garantiert sind (Bandi Tanner
und Müller 2019).
Ein Teilbereich dieser Trends ist auch die sogenannte Re-
spiritualisierung, die Suche nach sinngebenden Elementen
im Urlaub, einer starken Natursehnsucht und Erlebnissen, die
einen Gegenpol zur Banalität und Funktionalität des Alltags
darstellen (Pröbstl-Haider 2015).
Die Entwicklung im Hinblick auf Anpassungsstrategien
lässt sich nach Siegrist und Gessner (2011) wie folgt zusam-
menfassen: Die Mehrzahl der Gäste hat kein Interesse, das
eigene Urlaubsverhalten grundsätzlich zu ändern, und will
sich nicht „in der schönsten Zeit des Jahres“ mit den Folgen
der Klimaerwärmung auseinandersetzen. Anpassungen wer-
den dann akzeptiert, wenn damit nur kleine Einschränkungen
verbunden sind, aber nicht die Convenience des Produktes
insgesamt betreffen. Die steigende Nachfrage nach authen-
tischen Angeboten im Alpenraum bietet jedoch die Chance
für eine klimaschonende Produktenwicklung. Allerdings
erwarten Expertinnen und Experten, dass der Schwerpunkt
weiterhin auf den bisherigen, konventionellen Angeboten
liegen wird. Die Perspektiven für den Skisport werden von
einzelnen Autorinnen und Autoren kritisch gesehen, der sich
nach Auffassung einzelner Trendforscherinnen und Trendfor-
scher (Zellmann und Mayrhofer 2015) zu einem aufwendigen
„Minderheitenprogramm“ entwickeln könnte.
Alternative Mobilität, Innovation
und Digitalisierung
Durch den hohen Anteil touristischer Aktivitäten im ländli-
chen Raum wird erwartet, dass auch in Zukunft Reisende
vor allem für die Vor-Ort-Flexibilität nicht ohne individuelle
Mobilitätslösungen auskommen. Auch wenn zu erwarten
ist, dass die großen Urlauberströme aus dem Inland und aus
Deutschland zunächst noch bevorzugt mit dem eigenen Pkw
anreisen, sind alternative Mobilitätskonzepte erforderlich.
Diese Entwicklungsperspektiven im Bereich der Mobilität
sind im Zusammenhang mit der Informations- und Wis-
sensgesellschaft zu sehen, die nicht nur zu einem anderen
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Buch Tourismus und Klimawandel"
Tourismus und Klimawandel
- Titel
- Tourismus und Klimawandel
- Autoren
- Ulrike Pröbstl-Haider
- Dagmar Lund-Durlacher
- Marc Olefs
- Franz Prettenthaler
- Verlag
- Springer Spektrum
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-662-61522-5
- Abmessungen
- 21.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 263