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zung von Unternehmen im Tourismus. Trotz gegebener Un-
sicherheiten in der Klimamodellierung können bestehende
Modelle einen wertvollen Beitrag zur Risikoanalyse liefern.
Jüngere Entwicklungen im Bereich des Schneemanagements
sind wissenschaftlich noch unzureichend erforscht. Für eine
solide Abschätzung der Effizienz, Wirksamkeit und der Fol-
gewirkungen ist noch mehr Forschung gefordert.
Auf Nachfrageseite bestehen ebenfalls noch Wissens-
lücken: Wo existieren Kipppunkte, die das Verhalten der
Gäste nachhaltig beeinflussen, sei es die Destinationswahl
oder auch die Entscheidung, keinen Wintersport mehr aus-
zuüben? Grundsätzlich sind auch weitere externe Faktoren,
die das Tourismussystem beeinflussen, mit zu berücksich-
tigen, da sich diese Faktoren gegenseitig verstärken oder
auch abschwächen können. So wurden z. B. die Folgen des
demografischen Wandels im Quellmarkt Deutschland für
den Skitourismus in Tirol bis zur Mitte des Jahrhunderts als
bedeutender eingestuft als der Klimawandel (Steiger 2012).
Forschungsbedarf ist auch in Bezug auf schneeunabhängige
Urlaubsangebote und -produkte gegeben. Wie steht es bei-
spielsweise um die Schneesensitivität von Gästen, die keinen
klassischen Schneesport betreiben? Welche Produkte könnten
Gäste ansprechen, für die Winterurlaub in den Alpen bisher
keine Rolle spielt? Welche Destinationstypen wären für solch
„neue Wintergäste“ attraktiver? Gut erschlossene Winter-
sportdestinationen oder im Winter noch weniger erschlossene
Tourismusregionen?
Empirische Analysen der finanziellen Situation von Hotels
und Seilbahnen in Gebieten, die besonders vom Klimawandel
betroffen sind, sind ebenfalls notwendig. Dies erfordert den
Zugriff auf Betriebsdaten der amtlichen Statistik, die mit
Geodaten verknüpft werden können. Zudem wäre eine Be-
trachtung der unterschiedlichen Wertschöpfung von Sommer-
und Wintertourismus, inklusive der unterschiedlichen Wert-
schöpfungsabflüsse empfehlenswert.
Im Bereich der Mitigation besteht großer Forschungs-
bedarf bei der CO2-Bilanz des Wintertourismus. Bisherige
Literatur für Österreich ist entweder nur auf einen Teilbereich
beschränkt, veraltet und/oder beruht auf einer Vielzahl von
Annahmen aufgrund fehlender Daten. Für effektive Klima-
schutzmaßnahmen im Wintertourismus sind ein solider Status
quo sowie Monitoring der Bilanz und Wirksamkeit von ein-
geführten Maßnahmen nötig.
In den meisten jüngeren Impact-Studien werden die RCP-
Szenarien 4.5 und 8.5 verwendet. Das gemäßigte Szenario
RCP 2.6, bei welchem eine große Wahrscheinlichkeit zur
Erreichung der Paris-Klimaziele besteht, fand bisher noch
keine Anwendung. Es ist anzunehmen, dass die Folgen für
den Wintertourismus im RCP-2.6-Szenario geringer ausfal-
len würden. Die Bandbreite der Folgen in unterschiedlichen
RCP-Szenarien aufzuzeigen, könnte somit ein gewichtiges
Argument für rasche und tief greifende Klimaschutzmaß-
nahmen darstellen. Politik und Wirtschaft müssen sich mit den zunehmenden
Leistungsunterschieden zwischen begünstigten und nicht-
begünstigten Gebieten befassen. Eine stärkere öffentliche
Unterstützung für benachteiligte Gebiete ist kostspielig und
kann Anpassungsprobleme nur kurzfristig lindern. Im All-
gemeinen sollten Fördermaßnahmen (z. B. öffentliche In-
vestitionszuschüsse) evaluiert werden.
6.6 Zusammenfassung
Das hohe Niveau der touristischen Kennzahlen im Winter
konnte in den letzten Jahren gehalten werden. Allerdings zei-
gen Untersuchungen, dass im Hauptherkunftsmarkt Deutsch-
land das Interesse am Skifahren abnimmt, während z. B. die
Beliebtheit des Winterwanderns zunimmt (hohe Überein-
stimmung, mittlere Beweislage). Dadurch ergibt sich ein
steigender Wettbewerbsdruck, der die Rahmenbedingungen
für manche Skigebiete und Destinationen erschweren dürfte.
Der Klimawandel verändert die Bedingungen für natürlichen
Schneefall und Beschneiung und das Risiko von schwieri-
gen Situationen vor allem in den Saisonrandzeiten, aber in
weiterer Folge auch im Hochwinter (hohe Übereinstimmung,
starke Beweislage). Dies verschärft weiter den Wettbewerbs-
druck und könnte zu einem Verdrängungswettbewerb führen.
Pauschale Aussagen zur Zukunft des Wintertourismus sind
nicht möglich, vielmehr wird die Zukunft aus einem kom-
plexen Mix aus Gewinnern und Verlierern der Entwicklung
bestehen. Skifahren wird technisch gesehen auch Ende des
21. Jahrhunderts noch möglich sein, nur vermutlich nicht
mehr überall dort, wo das heute noch der Fall ist (hohe Über-
einstimmung, starke Beweislage). Untersuchungen zufolge
könnten Mitte des Jahrhunderts noch 52–72 % (je nach Ent-
wicklung der Treibhausgasemissionen) der Skigebiete in
Österreich als schneesicher eingestuft werden, bei heutiger
Beschneiungstechnologie und -kapazität. Die sich daraus er-
gebenden Auswirkungen auf die Nachfrage werden auf na-
tionaler Ebene als moderat eingeschätzt (< 10 %), da nach
wie vor noch ausreichend viele Skigebiete schneesicher sind.
Allerdings könnten sich große räumliche Nachfrageverschie-
bungen von ±50 % ergeben mit entsprechenden Folgen für
die betroffenen Destinationen und Betriebe (hohe Überein-
stimmung, schwache Beweislage). Die Herausforderung wird
künftig sein, derartige Änderungen, seien sie positiv oder
negativ, zu managen. Dazu zählt nicht nur die Entwicklung
von schneeunabhängigen Winterprodukten, sondern auch die
Absicherung des Wintersports in Regionen, die klimatisch
begünstigt sind.
Der Wintertourismus trägt auch selbst zum Klimawandel
bei. Daten für eine genauere Abschätzung des CO2-Beitrags
des Wintertourismus in Österreich sind derzeit nicht ver-
fügbar. Die wenigen Belege zeigen allerdings, dass Verkehr
und Beherbergung den mit Abstand höchsten Anteil an den
Spezifische Komponenten des touristischen Angebots –
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Buch Tourismus und Klimawandel"
Tourismus und Klimawandel
- Titel
- Tourismus und Klimawandel
- Autoren
- Ulrike Pröbstl-Haider
- Dagmar Lund-Durlacher
- Marc Olefs
- Franz Prettenthaler
- Verlag
- Springer Spektrum
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-662-61522-5
- Abmessungen
- 21.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 263