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Weiterhin ist auch die unterschiedliche Wertschöpfung
zwischen den Urlaubsformen und Aktivitäten zu beachten,
die zum Beispiel bei Radtourismus oder Seentourismus deut-
lich voneinander abweichen (Abb. 1.4 in Kap. 1).
7.3 Einfluss des Klimawandels bzw. Einfluss
auf den Klimawandel
7.3.1 Allgemeiner Einfluss des Klimawandels
auf Outdooraktivitäten im Urlaub
Einfluss von Temperatur, Sonnenscheindauer
und Niederschlägen
Die Analyse der relevanten Literatur zeigt zunächst, dass es
eine Herausforderung darstellt, einzelne meteorologische
Messgrößen wie die Temperatur und ihre Bedeutung für
den Tourismus mit ausreichender Genauigkeit so zu definie-
ren, dass es möglich ist, zukünftige Szenarien bewerten zu
können. Zum Beispiel definieren Matzarakis und Amelung
(2008) den physiologisch angenehmen Temperaturbereich
zwischen 18 und 23 °C und argumentieren, dass die Wärme-
belastung bei einer physiologischen Äquivalenttemperatur
von 35 °C beginnt. Für Großbritannien zeigt Maddison
(2001), dass die im Idealfall höchste Temperatur pro Tag
30 °C nicht überschreiten sollte. Lise und Tol (2002) geben
an, dass die optimale Mitteltemperatur über einen Zeitraum
von 24 Stunden global bei 21 °C liegen sollte. Für die deut-
schen Tourismusdestinationen hat Hamilton (2004) eine
optimale Temperatur von 24 °C genannt. Angesichts dieser
divergierenden Angaben, welche Temperaturen aus touristi-
scher Sicht als angenehm einzustufen sind, ist es schwierig,
die Auswirkungen des Klimawandels zu diskutieren, und
eine Modellierung, die sich auf einen Teilaspekt oder eine
Methode bezieht, ist problematisch. Daher schlagen einige
Autorinnen und Autoren vor, sich nur auf den Temperatur-
bereich zu beziehen, der negative Auswirkungen auf die
öffentliche Gesundheit hat (z. B. tropische Nächte; APCC
2014; vgl. auch Kap. 2, Tab. 2.1).
Aus der Sicht der sportwissenschaftlichen Forschung, die
vor allem die thermophysiologische Empfindlichkeit bei Ak-
tivitäten wie Radfahren, Klettern oder Bergwandern betrach-
tet, wird der multidisziplinär entwickelte Universal Thermal
Climate Index (UTCI) bevorzugt (Jendritzky und de Dear
2009; Brocherie et al. 2015), der valide in unterschiedlichen
klimatischen Verhältnissen, saisonalen Bedingungen für eine
Vielzahl von unterschiedlich anstrengenden Aktivitäten einge-
setzt werden kann. Auch Effekte durch Bekleidung lassen sich
durch den UTCI modellieren und geben den jeweiligen ther-
mischen Stress durch Hitze oder Kälte wieder. Verschiedene
Autorinnen und Autoren erwarten deshalb, dass die touristi-
sche Ausrichtung auf Gesundheit und Well-being dazu führen
wird, dass dieser Index weite Verbreitung finden wird und idealerweise zusammen mit Wetterinformationen angegeben
werden sollte (Piskuta et al. 2012; Brocherie et al. 2015).
Aus physiologischer und sportmedizinischer Sicht stellen
weiterhin Hitzewellen (d. h. längere Perioden mit extrem
hohen Temperaturen) eine substanzielle Belastung für die
menschliche Gesundheit dar, die vor allem ältere Menschen
und Kinder bei erholungsbezogenen oder sportlichen Ak-
tivitäten trifft (Brocherie et al. 2015). Die Effekte, die durch
Hitze ausgelöst werden, können von Hitzewallungen, einem
Kreislaufkollaps (Synkope), Krämpfen über Erschöpfungs-
zustände bis zu Desorientierung reichen. Muskuläre Be-
anspruchung, Dehydrierung und starker Elektrolytverlust
wirken hier zusammen und können durch weitere Faktoren
wie Fettleibigkeit, geringe Fitness, unzureichende Akklima-
tisation sowie andere Belastungen wie Sonnenbrand verstärkt
werden (Kerle und Nishimura 1996; Holtzhausen und Noakes
1997; Lorenzo et al. 2010; Ross et al. 2013).
Rudel et al. (2007) untersuchten unter Beachtung wich-
tiger tourismusrelevanter, bioklimatischer Parameter (ins-
besondere PET, physiologisch äquivalente Temperatur) die
Bedingungen für den alpinen Sommertourismus unter Aspek-
ten des Klimawandels. Zu den zentralen Schlussfolgerungen
gehören (siehe auch Kap. 2 in diesem Bericht), unter anderem
bezogen auf die touristischen Aktivitäten, folgende Aspekte:
• Die Anzahl der Tage mit Hitzestress nimmt zwar zu
(Kap. 2), allerdings sind die bergtouristisch interessanten
Lagen über 1000–1200 m nicht davon betroffen.
• Positiv wirkt sich auch die Tatsache aus, dass die Anzahl
der Tage, in denen thermisch komfortable Bedingungen
vorherrschen, sich insgesamt um ca. 10 Tage erhöhen
und so zu einer Verlängerung thermisch geeigneter
Bedingungen für Freizeit und Erholung führen. Davon
können viele Outdooraktivitäten profitieren.
• Die Anzahl der Sonnentage erhöht sich danach ebenfalls,
jedoch nur in höheren Lagen.
• Weiterhin wird von einem Trend hin zu Starknieder-
schlagsereignissen ausgegangen.
Aus touristischer Sicht positiv ist die erwartete Zunahme von
Tagen mit wenig und keinem Niederschlag sowie der erwar-
tete Rückgang der Anzahl an Nebeltagen. Rudel et al. (2007)
gehen daher davon aus, dass der Seentourismus von diesen
Veränderungen am meisten profitieren dürfte.
Für die Aktivitäten am Urlaubsort ist auch entscheidend,
dass im mediterraneren Bereich die Verhältnisse in den
Sommermonaten ungünstiger werden als in den zentralen
und nördlichen Teilen Europas (Perry 2000; Lise und Tol
2002; Hamilton 2004; Zebisch et al. 2005; Amelung und
Viner 2006; Bigano et al. 2006). Weitere Arbeiten heben die
zu erwartenden Auswirkungen im Hinblick auf die saisonale
Attraktivität hervor und erwarten andere Verteilungsmuster
und Verschiebungen vom Sommer zu Frühling und Herbst
7 Outdooraktivitäten und damit zusammenhängende Einrichtungen im Sommer und in den Übergangszeiten 125
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Buch Tourismus und Klimawandel"
Tourismus und Klimawandel
- Titel
- Tourismus und Klimawandel
- Autoren
- Ulrike Pröbstl-Haider
- Dagmar Lund-Durlacher
- Marc Olefs
- Franz Prettenthaler
- Verlag
- Springer Spektrum
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-662-61522-5
- Abmessungen
- 21.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 263