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Die sedia gestatoria der Päpste 27
Rede, mit dem Ausdruck elevare in sedem (apostolicam)47, der sich auch in den Viten von
dessen Nachfolgern findet. Damit ist jedoch nicht die Verwendung einer sedia gestatoria
gemeint, sondern die Inthronisation des Gewählten auf dem erhöht stehenden römischen
Bischofsstuhl.48
Falls es eine Tradition, den römischen Bischof im Rahmen seiner Amtseinführung zu
tragen, gab, scheint sie das 9. Jahrhundert nicht überlebt zu haben.49 Mit der im späten 8.
oder frühen 9. Jahrhundert entstandenen Konstantinischen Schenkung konzentrierte sich
die Aufmerksamkeit auf das weiße Pferd, das Kaiser Konstantin als ehemals kaiserliches
Vorrecht Papst Silvester und dessen Nachfolgern zugestanden haben soll. Die angebliche
Verleihung kaiserlicher Ehrenvorrechte an Papst und römischen Klerus zielte nicht darauf
ab, neue Tatbestände zu schaffen, sondern sanktionierte vielmehr bestehende Verhältnisse.
Der Papst beanspruchte wohl schon vor der Konstantinischen Schenkung den kaiserlichen
Schimmel. Im Hochmittelalter spielten weiße Pferde50 eine wichtige Rolle bei der Prozes-
sion, mit der die Päpste nach ihrer Weihe in der Peterskirche durch die Stadt zogen, um im
Lateran das weltliche Zentrum ihrer Herrschaft in Besitz zu nehmen. Gregor IX., um im
Rahmen der Beispielreihe Estefans und Moronis zu bleiben, ist mit Sicherheit auf einem
Schimmel zum Lateran geritten,51 wie es die zu seiner Zeit bereits voll ausgeprägte Symbo-
47 Ebenda, S. 52. Vgl. Gussone 1978 (wie Anm. 16), S. 175–177; zu elevare in sedem in den Ordines
des 9. Jahrhunderts ebenda, S. 184 und 188.
48 Vgl. Gussone 1978 (wie Anm. 16), hier bes. S. 85 ff. und 129 ff.; Paravicini Bagliani 2013 (wie
Anm. 16), S. 94–97.
49 Gussone 1978 (wie Anm. 16), S. 131, verweist auf Texte, die belegen, „daß der auswärts neu ge-
weihte Bischof zum Abschluß der Feierlichkeit von seinen Amtsbrüdern in einem goldenen Sessel
zu seiner Bischofskirche getragen wurde“; diese Quellen beziehen sich jedoch auf das Merowinger-
reich, nicht auf Rom. Zum Ablauf der Papstweihe und der Krönungsprozession im Mittelalter vgl.
zusammenfassend Paravicini Bagliani 2013 (wie Anm. 16), S. 79–206, in übergreifender Perspek-
tive zu Mittelalter und Neuzeit Maria Antonietta Visceglia, Cerimoniali romani: il ritorno e la
trasfigurazione dei trionfi antichi. In: Luigi Fiorani/Adriano Prosperi (Hg.), Roma, la città del
Papa (Storia d’Italia. Annali 16, Torino 2000), S. 113–170, hier S. 113–143.
50 Zur Bedeutung des Pferdes im päpstlichen Zeremoniell vgl., ausgehend von den Bildquellen, Jörg
Traeger, Der reitende Papst. Ein Beitrag zur Ikonographie des Papsttums (Münchner kunsthisto-
rische Abhandlungen 1, München/Zürich 1970), nachgedruckt in: ders., Studien zur Renaissance,
hg. von Christoph Wagner (Regensburger Studien zur Kunstgeschichte 2, Regensburg 2008), S.
15–151; zum Pferd als „Symbolträger“ im päpstlichen Zeremoniell des 11. bis 15. Jahrhunderts vgl.,
ausgehend von den Textquellen, Agostino Paravicini Bagliani, Der Papst auf Reisen im Mittel-
alter. In: ders., Il potere del papa. Corporeità, autorappresentazione, simboli (Firenze 2009), S.
315–333, bes. S. 330 ff. (Erstveröffentlichung 1991), und die oben in Anm. 2 genannten Arbeiten
desselben Verfassers.
51 Vgl. die Vita Gregors IX. in: Paul Fabre/Louis Duchesne (Hg.), Le Liber Censuum de l’Église
Romaine, Bd. 2 (Paris 1910), S. 19: „equo […] vectus“.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Titel
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Untertitel
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Autor
- Mario Döberl
- Herausgeber
- Alejandro López Álvarez
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918