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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
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Die sedia gestatoria der Päpste 33 nieller Vorschriften, in die Kirche getragen, wo der Tragethron als Kompensation für das entgangene Pferd zerschlagen und verteilt wurde. Neben den Antrittsfeierlichkeiten gab es viele weitere Gelegenheiten für die Benutzung der sedia gestatoria. Diese war anscheinend schon unter Innozenz VIII. so üblich geworden, dass sie nicht jedes Mal von Burckard er- wähnt wird. Der Zeremonienmeister übergeht etwa, dass Innozenz VIII. die ihm von Sul- tan Bajezid übersandte Heilige Lanze auf der sedia gestatoria sitzend durch Rom trug, und spricht davon, dass dieser processionaliter „in der üblichen Weise“ die Reliquie einholte. Aus Burckards Angabe, Innozenz VIII. habe die Zeremonie ganz nach dem Vorbild der Einholung des Hauptes des heiligen Andreas durch Pius II. gestalten wollen, lässt sich die Verwendung des Tragethrons nur indirekt erschließen; er wird jedoch durch eine bildliche Darstellung in den Grotten der Peterskirche vor Augen geführt. Dem „Tagebuch“ des Zeremonienmeisters Burckard lässt sich die erste normative Fi- xierung des päpstlichen Zeremoniells an die Seite stellen, die Agostino Patrizi Piccolomini auf der Grundlage seiner Erfahrungen seit der Zeit Pius’ II. verfasste und im Jahr 1488 Innozenz VIII. widmete.64 Die sedia gestatoria wird darin, allerdings in Form einer Alter- native zu anderen Arten der Fortbewegung, berücksichtigt. Der nächste Papst, Alexan- der VI. (1492–1503), verlegte den Gebrauch des Tragethrons noch um einen Schritt weiter nach vorn: Er wurde gleich nach seiner Wahl auf der sedia gestatoria in die Peterskirche getragen. Frühneuzeitliche Zeremonienmeister setzen die Verwendung des Tragethrons im päpstlichen Antrittszeremoniell vom Augenblick der Wahl bis zur Inbesitznahme des Laterans als Normalfall voraus,65 wenngleich viele Päpste den Weg zum Lateran, den so- genannten Possesso, immer noch zu Pferd absolvierten. Seit der Zeit Julius’ II. (1503–1513) entwickelte sich der Possesso, der nun mit einigem zeitlichem Abstand auf Weihe und Krönung folgte, zu einer eigenständigen Zeremonie, bei der zusätzliche Inszenierungen, etwa das Aufstellen von Triumphbögen, die triumphalen Konnotationen verstärkten.66 Da 64 Vgl. zum Folgenden Märtl 2000 (wie Anm. 35), S. 166. 65 Vgl. die Schilderung des Antritts Gregors XV. durch Alaleone, Wassilowsky/Wolf 2007 (wie Anm. 42), S. 100–108. 66 Vgl. Martine Boiteux, Parcours rituels romains à l’époque moderne. In: Maria Antonietta Visce- glia/Catherine Brice (Hg.), Cérémonial et rituel à Rome (XVIe–XIXe siècle) (Collection de l’École française de Rome 231, Rome 1997), S. 27–87, hier S. 36–45; Visceglia 2000 (wie Anm. 29), S. 113–143; Irene Fosi, Court and City in the Ceremony of the Possesso in the Sixteenth Century. In: Gianvittorio Signorotto/Maria Antonietta Visceglia (Hg.), Court and Politics in Papal Rome, 1492–1700 (Cambridge 2002), S. 31–52; Birgit Emich, Besitz ergreifen von der Kirche. Normen und Normkonflikte beim Zeremoniell des päpstlichen Possesso. In: Günther Wassilowsky/Hu- bert Wolf (Hg.), Werte und Symbole im frühneuzeitlichen Rom (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme. Schriftenreihe des Sonderforschungsbereichs 496, 11, Münster 2005), S. 83–99. Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Titel
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Untertitel
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Autor
Mario Döberl
Herausgeber
Alejandro López Álvarez
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20966-9
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorien
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