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der Karosse erwähnt; Merli meint jedoch, er zeichne wahrscheinlich auch für die „bussola“
verantwortlich und habe wohl auch selbst deren Verzierungen geschnitzt, da daran Parodis
persönlicher Stil zu erkennen sei. Trotz fehlender Belege für Zahlungen an Parodi oder an
andere Künstler spricht für Merlis Annahme, dass Parodi die Kosten für die Vergoldung
der Beschläge des Tragsessels übernahm, was in der Tat auf seine Beteiligung an der Aus-
führung hindeutet. Orlando Grosso schloss hingegen bereits 1942 hinsichtlich der Ent-
wurfszeichnung aus, dass diese Parodi zuzuschreiben sein könnte. In diesem Punkt folgte
ihm auch Piero Boccardo, der meinte, dass die dekorativen Elemente bereits im Régence-
stil gehalten und deshalb in die Jahre zwischen 1720 und 1730 zu datieren seien.9
Während also eine Beteiligung Parodis an der Herstellung des Tragsessels als ungesi-
chert gelten muss, steht außer Zweifel, dass Giovanni Andrea ihn für die Gestaltung der
Karosse heranzog. Ursprünglich hatte Giovanni Andrea jedoch in Betracht gezogen, an-
dere Künstler mit diesem Auftrag zu betrauen, unter anderem, weil Mailand und Rom
damals als Wagenbauzentren weitaus etablierter waren als Genua.10 So hatte er zunächst
an einem Mailänder Karossenentwurf Gefallen gefunden, bei dem sich Putten und Adler
d’arte 5 (Juni 2012), S. 353–386. Die derzeit aktuellste biographische Skizze zu Filippo Parodi samt
einer umfassenden Bibliographie findet sich in Daniele Sanguineti, Scultura genovese in legno
policroma (Torino 2013), S. 432–435.
9 Orlando Grosso, Le carrozze a Genova. In: Genova 22/12 (1942), S. 21 f.; Piero Boccardo ver-
mutete, dass sich in Anbetracht der Möglichkeit einer späteren Datierung des Blattes die Ent-
wurfszeichnung auf einen anderen Tragsessel beziehen könnte. Farida Simonetti/Marzia Cataldi
Gallo (Hg.), Farsi Portare in carega, Portantine e livree per la nobiltà genovese (Ausstellungs-
katalog, Genova 1995), S. 68 f., Nr. 23. Laura Stagno räumt zwar ein, dass die Zeichnung später
zu datieren sei, meint jedoch, dass sie sich trotzdem auf den Tragsessel von 1671 beziehe, da dieser
auch später noch von großer Bedeutung war. So wurde er etwa 1749 immer noch als das am bes-
ten geeignete Vehikel betrachtet, um Marie Louise Élisabeth de Bourbon, Herzogin von Parma,
Piacenza und Guastalla, zum Wohnsitz der Doria zu geleiten. Stagno 2007 (wie Anm. 1), S. 151;
Stagno 2011 (wie Anm. 2), S. 74, Anm. 107.
10 Stagno 2007 (wie Anm. 1), Anm. 42: ADP, scaffale 79.62.1, Registro delle lettere per Roma com-
poste dal Principe mio signore: Giovanni Andrea schreibt, „in quanto alla carrozza o sia disegno di
essa, desidero sia leggera, di grandezza mediocre, di luoghi sei, e vaga al possibile. In quanto al luogo di
fabbricarla, non sono ancora risoluto, se debba elegger Milano, dove si lavora molto bene, o costì“. Aus-
gerechnet in Mailand wurden bereits 1626 für die Hochzeit von Giovanni Andrea II. und Maria
Polissena Landi zwei Karossen zum Preis von 4200 Lire angekauft. Stagno 2007 (wie Anm. 1),
Anm. 14: ADP, Banc. 66.2. Laura Stagno stellte fest, dass neben der für das Haus Doria bestimm-
ten Karosse für jene Zeit nur zwei weitere Beispiele von Wagenentwürfen ligurischer Künstler
dokumentierbar sind, nämlich von Giovanni Andrea Carlone – aus dessen römischer Phase der
1660er Jahre, als er unter starkem Einfluss von Modellen Berninis stand – sowie von Baciccio, der
1675 in Rom von der Familie Pamphilj den Auftrag für den Entwurf einer Karosse erhielt. Stagno
2007 (wie Anm. 1), Anm. 44.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Titel
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Untertitel
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Autor
- Mario Döberl
- Herausgeber
- Alejandro López Álvarez
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918