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56 Farida Simonetti
2 Weitere Tragevehikel des „goldenen Zeitalters“ Genuas
Das im vorhergehenden Abschnitt behandelte Beispiel aus dem Jahr 1671 ist natürlich
nicht der früheste Beleg dafür, dass Mitglieder der Familie Doria prunkvolle Tragevehikel
in Auftrag gaben: So bestellte etwa Giovanni Andrea (1540–1606), Gemahl der Zenobia
Del Carretto, bereits 1581 bei Gaspare Forlani aus Lucca17 eine Sänfte (lettiga). Forlani ver-
pflichtete sich damals laut einer überlieferten Übereinkunft18 mit dem Haushofmeister
Giovanni Pietro Ricardi nicht nur dazu, die ihm aufgetragene Handwerksarbeit zu erle-
digen, sondern darüber hinaus auch die zur Herstellung benötigten Gläser, Beschläge, das
Holz und den Samt für die beachtliche Summe von insgesamt 40 Gold-Scudi zu liefern.
Für die Bereitstellung von Seide, Leder, Wachsleinwand, Schnüren, Messingnägeln und
für die Vergoldung sollte hingegen Ricardi selbst sorgen.
Gaspare Forlani war zu diesem Zeitpunkt bereits ein bekannter Schnitzer, dessen Fer-
tigkeiten für verschiedenste Aufgaben, wie etwa für die Herstellung von Tabernakeln, Re-
galen, Kerzenständern, Hockern, Rückenlehnen, Truhen, Betten, Schmuckkästchen oder
Bilderrahmen,19 herangezogen wurden. Dies belegen mehrere Schriftquellen, in denen
Forlanis Beruf auf unterschiedlichste Art bezeichnet wird, etwa als „bancalarius, faber lig-
narius, scultor lignaminum“ oder einfach nur als Bildschnitzer.20 Es waren Handwerker
des Holz verarbeitenden Gewerbes, die mit der Anfertigung von Tragsesseln oder Sänften
beauftragt wurden und die, wie auch dieser Fall belegt, an der Spitze einer Gruppe hoch-
spezialisierter Handwerker mit unterschiedlichen Fachkenntnissen standen, die Techniken
wie die fachgerechte Bearbeitung von Holz, die Bespannung mit Textilien oder das An-
bringen von Beschlägen in Eisen oder vergoldeter Bronze umfassten.
Ganz deutlich geht dies aus einem Rechnungsbuch des Marcello Durazzo von 1666 her-
vor,21 das einzelne Teilbeträge für die Herstellung einer Sänfte dokumentiert. Neben der
17 Für biographische Informationen samt Literaturangaben siehe Sanguineti 2013 (wie Anm. 8), S.
407–410.
18 Der vollständige Vertragstext ist abgedruckt in A[ntonio] Merli/L[uigi] T[ommaso] Belgrano,
Il Palazzo del Principe Doria (Genova 1874), S. 59.
19 Von Forlanis vielfältiger Produktion sind heute leider nur Schnitzarbeiten an der linken Orgel der
Kathedrale San Lorenzo in Genua sowie am 1564 neu gestalteten Chorgestühl erhalten. Von seinen
übrigen Tätigkeiten – so etwa auch von der Herstellung der Sänfte – zeugen nur noch Schriftquel-
len. Vgl. Sanguineti 2013 (wie Anm. 8), S. 125–129.
20 Ebenda, S. 407.
21 Farida Simonetti, „La nostra città non è per le carrozze“. Portantine e lettighe per le strette vie
di Genova. In: Simonetti/Cataldi Gallo 1995 (wie Anm. 9), S. 8–38, hier S. 28: ADGG, 522,
Manuale di Marcello Durazzo, 1666 Juni 1: Für eine „letica di vacchetta nera, un paro di coperte per
mule e le sue selle […] L. 1787.9 / L. 93 per 5 vachette in peso / L. 233.15 per palmi 85 damasco cremesile
a L. 55 il palmo / L. 38.10 per palmi 7 veluto cremesile a L. 5.20 / L. 48.5 al merzaro per seta / L. 29 al
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Titel
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Untertitel
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Autor
- Mario Döberl
- Herausgeber
- Alejandro López Álvarez
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918