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74 Alejandro López Álvarez
heiten von ihnen Gebrauch und griff damit auf ein Beförderungs- und Repräsentations-
mittel zurück, das vielseitiger einsetzbar war als die bis dahin üblichen Sänften. Besonders
während des Aufenthalts auf seinem Alterssitz im Kloster San Jerónimo in Yuste erlangten
Tragsessel für die Beförderung Karls V. große Bedeutung. Der damals bereits stark ge-
brechliche Monarch bewegte sich in dieser seiner letzten Lebensphase nur noch in Ausnah-
mefällen selbstständig fort. Wie aus einem Schreiben seines Hofmeisters Luis Quijada an
Juan Vázquez vom 12. November 1556 hervorgeht, benutzte Karl V. schon auf seinem Weg
nach Yuste einen Tragsessel. Als er vor der Wahl stand, einen von zwei möglichen Wegen
über die Berge nach Jarandilla zu nehmen,
entschied er sich für den kürzeren und unwegsameren. Er ist fest entschlossen, noch heute
Jarandilla zu erreichen, das fünf Meilen schlechten Weges entfernt liegt. Seine Majestät
wird die meiste Zeit über auf seine Sänfte verzichten und stattdessen im Tragsessel reisen
müssen, denn er meint, dass ihm die Pferde nicht gut tun würden. Auf diese Weise spart er
vier Tage gegenüber der flacheren Strecke.3
Aus der Zeit nach der Ankunft in Yuste häufen sich die Erwähnungen, dass Karl V. auch
innerhalb der Klostermauern Tragsessel verwendete. Fray Hernando del Corral zufolge
wurde er von zwei Edelleuten getragen und von Don Fernando Alvarez de Toledo, Duque
de Oropesa, sowie von seinem Hofmeister Luis Quijada begleitet.4 Einer der Tragsessel
ist auch im Nachlassinventar von Yuste angeführt. Im Abschnitt „furriería“ befinden sich
„zwei Sessel aus schwarzem Leder; auf den einen setzte sich Seine Majestät beim Essen, auf
dem anderen, der über Tragstangen verfügte, ließ er sich hin und her tragen“. Dazu waren
„vier mit Federn gefüllte Ledersitzkissen“ vorhanden sowie ein „großes Lederpolster mit
Gurten, womit Ihre Majestät auf Schultern getragen wurde“. Außerdem findet sich im
seien an dieser Stelle die Namen und Regierungszeiten der im hier behandelten Zeitraum herr-
schenden Monarchen angeführt: Kaiser Karl V. (1516–1556), Philipp II. (1556–1598), Philipp III.
(1598–1621), Philipp IV. (1621–1665) und Karl II. (1665/1675–1700).
3 „[…] le ha parescido escoger el más corto y más áspero, y ansí está determinado de llegar hoy a Jarandilla,
que son cinco leguas de muy mal camino. Habrá S. M.tad de ir lo más fuera de su litera, en silla, porque
dice que a caballo le haría mal, y ansí ahorra cuatro jornadas que habrá por el camino más llano“.
Louis Prosper Gachard, Retraite et mort de Charles-Quint au monastére de Yuste: lettres inédites
d’aprés les originaux conservés dans les archives royales de Simancas, 3 Bde. (Bruxelles 1854–1855),
Bd. 1, S. 38–41, 119, 154, 217 und 316.
4 Fray Hernando del Corral, Historia breve y sumaria de cómo el emperador don Carlos V, nuestro
señor, trató de venirse a recoger al monasterio de San Jerónimo de Yuste. In: Domingo Sánchez
Loro, La inquietud postrimera de Carlos V, 3 Bde. (Biblioteca Extremeña 17, Cáceres 1957–1958),
Bd. 2, S. 71–154, hier S. 98.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Titel
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Untertitel
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Autor
- Mario Döberl
- Herausgeber
- Alejandro López Álvarez
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918