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Tragsessel in der spanischen Monarchie des 16 und 17 Jahrhunderts 75
Inventar noch „ein kleiner, mit sayeta überzogener Lederkoffer, in dem der Feldsessel auf-
bewahrt wurde“.5
Aus all diesen Informationen lässt sich schließen, dass es sich bei den im Nachlassinven-
tar erwähnten Tragsesseln um technisch anspruchlose Objekte in bescheidener Ausführung
handelte. Dennoch brachten sie besonders für das Hofzeremoniell sowie für den Umgang
mit dem Körper des Königs wichtige Neuerungen. Bemerkenswert ist zudem, dass die oben
erwähnten Objekte der „furriería“ unterstellt waren, also jenem Amt, das unter anderem
Möbel und anderen Hausrat verwaltete, und nicht dem Marstall, also jener kleinen Hof-
staatsabteilung, in der sich während Karls V. Aufenthalt in Yuste mehrere Sänften befanden.6
Die Verwendung von Tragsesseln führte demnach zu keinen Änderungen im Bereich des
Hofstaats, der nach Karls V. Rückzug aus dem öffentlichen Leben stark reduziert worden
war. Offenbar wurden Tragsessel damals als eine Spielart von Möbeln betrachtet.
Am Hof Philipps II. nahm die Bedeutung von Tragsesseln in aufälliger Weise zu. Wäh-
rend seiner Regierung standen derartige Tragevehikel bereits in den Hofstaaten der Kö-
niginnen sowie bei den bedeutendsten Hofleuten in Gebrauch. Die Verwendung von
Tragsesseln seitens des Monarchen selbst lässt sich nicht allein auf dessen gesundheitliche
Probleme zurückführen, die ihn stark in seiner Bewegungsfreiheit einschränkten, sondern
hat ihren Ursprung auch in seinem Interesse an symbolischer Selbstinszenierung. Dieser
Aspekt lässt sich schon für das Jahr 1585 beobachten, als der König während eines Aufent-
halts in Barcelona von Stadtvertretern mit mehreren Tragsesseln beschenkt wurde:
[…] um Seiner Majestät einen Gefallen zu erweisen, hatte [die Stadt] 48 auf eigene Kosten
mit grünem Tuch bekleidete Männer geschickt, die zwölf gleichartig bezogene Tragsessel
transportierten. In einem davon wurde Seine Majestät nach Flix getragen.7
Zweifellos begünstigten die gesundheitlichen Probleme des Monarchen jedoch die Ver-
wendung von Tragsesseln, und es wurden auch mehrere davon für seinen persönlichen
5 „[…] dos sillas de cuero negro, la una en que su majestad se asentaba para comer y la otra en que se hacía
llevar de una parte a otra, con sus palos […] cuatro cojines de cuero, llenos de plumas […] un cojín
de cuero, grande, con sus cinchas, en que llevaban a su majestad en los hombros […] una maletilla de
cuero, cubierta de sayeta, en que iba la silla de campo“. Sánchez Loro 1957–1958 (wie Anm. 4), Bd.
2, S. 467–540, hier, S. 515 f. Mit „sayeta“ wurde eine unbestimmte Art von Textilien bezeichnet.
6 Sánchez Loro 1957–1958 (wie Anm. 4), Bd. 2, S. 531–533.
7 „[…] para hacer algún servicio a su magestad, había enviado cuarenta y ocho hombres a su costa, vestidos
de paño verde, desde los pies a la cabeza, para llevar doce sillas de mano aderezadas del mismo paño. En
una de estas fue llevado su magestad de ellos a Flix“. Enrique Cock, Anales del año ochenta y cinco. In:
José García Mercadal, Viajes de extranjeros por España y Portugal desde los tiempos más remotos
hasta comienzos del siglo XX, 6 Bde. (Valladolid 1999, erstmals Madrid 1952–1962), Bd. 2, S. 535.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Titel
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Untertitel
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Autor
- Mario Döberl
- Herausgeber
- Alejandro López Álvarez
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918