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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
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82 Alejandro López Álvarez Die Tatsache, dass es im ausgehenden 16. Jahrhundert für beinahe zwei Jahrzehnte keine Königin in Kastilien gab (Philipp II. blieb von 1580 bis zu seinem Tod 1598 Wit- wer), war zweifellos ausschlaggebend dafür, dass sich die neuen repräsentativen und ze- remoniellen Möglichkeiten, die sich durch Tragsessel boten, nur zögerlich entwickelten. Tatsächlich ist die große Bedeutung, die Tragsessel unter Königin Margarete von Öster- reich erlangten, ein deutlicher Hinweis darauf, dass zuvor allein das Fehlen einer entspre- chenden Protagonistin eine raschere Entwicklung verhindert hatte. Um die Relevanz der Königin in diesem Prozess richtig einschätzen zu können, muss der Impuls berücksichtigt werden, der vom Königshaus und den königlichen Ratsgremien bei der Verbreitung von Tragsesseln ausging. Zunächst etablierten sich Tragsessel als Transport- und Repräsenta- tionsmittel schwangerer Herrscherinnen. Dies ging so weit, dass Tragsessel sogar bei fest- lichen Stadteinzügen verwendet wurden. Bald darauf wurden Tragsessel auch in das Tauf- zeremoniell eingeführt, weshalb dieses auch partiell adaptiert werden musste. Parallel dazu wurde mittels Gesetzen versucht, den männlichen Gebrauch von Tragsesseln zu regulieren, ein Prozess, den wir als „Institutionalisierung“ der Tragsessel bezeichnen möchten. Eine Verordnung von 1604 machte für Männer das Privileg, sich in einem Tragsessel befördern lassen zu dürfen, von der Erteilung einer Lizenz durch den Rat von Kastilien abhängig. In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, dass man in Madrid – und möglicherweise auch in anderen Städten Kastiliens – damit begann, die Arbeitsbedingungen jener Sesselträger, die gemietet werden konnten, strenger zu kontrollieren. Wie noch zu sehen sein wird, endeten die gesetzlichen Maßnahmen damit jedoch noch lange nicht. Die hier erwähnten Entwicklungsschritte verdeutlichen jedoch recht klar die gestiegene Wertschätzung, die Tragsesseln im frühen 17. Jahrhundert entgegengebracht wurde. Die tatsächliche Integration von Tragsesseln in den Hofstaat der Königinnen fiel in die Zeit Margaretes von Österreich. Schon kurz nach ihrer Ankunft in Spanien begannen Tragsessel eine bedeutende Stellung einzunehmen. Anfänglich boten die Schwangerschaf- ten der Königin den Anlass für die Verwendung der Tragevehikel. Hintergrund dafür war die weit verbreitete Meinung, dass zu ruppige Bewegungen eine Gefahr für schwangere Frauen darstellten. Zwar war diese Auffassung schon seit längerer Zeit etabliert, sie erhielt nun aber eine größere Bedeutung. Man nahm an, dass das Schwanken der Kutschen für das ungeborene Kind schädlich sei,20 weshalb man langsamere Transportmittel, wie Sänf- ten oder Tragsessel, als geeigneter für eine schwangere Königin ansah.21 Fest steht, dass die 20 Im Jahr 1607 gebar die schwangere Königin nach einer rasanten Kutschenfahrt, für die sie den Tragsessel verlassen hatte, spontan ein Kind. Luis Cabrera de Córdoba, Relaciones de las cosas sucedidas en la corte de España, desde 1599 hasta 1614 (Madrid 1857), S. 314. 21 Eine in den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts verbreitete Anekdote spielte mit der Frage, ob die schwangere Duquesa de Uceda in einem Tragsessel oder in einer Sänfte nach Aranjuez getragen Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Titel
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Untertitel
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Autor
Mario Döberl
Herausgeber
Alejandro López Álvarez
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20966-9
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorien
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