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84 Alejandro López Álvarez
bei darauf folgenden festlichen Stadteinzügen der Jahre 1602 und 1603 kamen erneut Trag-
sessel zum Einsatz. Beim feierlichen Empfang in León im Januar 1602 zog das Königspaar
unter einem Baldachin ein, wobei der König ritt und die Königin – vielleicht wegen einer
vermuteten Schwangerschaft – getragen wurde.25 Dasselbe Bild zeigte sich im darauf fol-
genden Monat in Zamora und Toro und im Juni 1603 in Burgos26 Es würde wohl zu kurz
greifen, das bei diesen Einzügen zu beobachtende Auftreten des Königspaars allein auf zu-
fällige Entscheidungen oder Sicherheitsmaßnahmen zurückzuführen, noch dazu, da diese
Zeremonien in einer komplexen politischen Phase stattfanden. Einzugszeremonien ver-
folgten Anfang des 17. Jahrhunderts zweierlei Ziele: Einerseits dienten sie dazu, die sym-
bolische Unterwerfung der urbanen Eliten zu veranschaulichen, gleichzeitig sollten diese
aber auch der Krone physisch nähergebracht werden.27 Ein derartiges Ritual trug nicht nur
zur Verherrlichung der Königin und zur Erhöhung ihrer Würde bei, sondern führte auch
zur Sakralisierung ihrer Person. Da wir davon ausgehen können, dass Vertreter lokaler
Eliten den Tragsessel zu Fuß begleiteten, wurde so auf subtile Weise die erwünschte Nähe
zur Königin hergestellt. Die Tatsache, dass sich die Königin in einem Vehikel präsentierte,
das Affinitäten zu einer Monstranz, einem Tabernakel oder einem Thron aufwies, erinnert
an eine Schilderung Diego de Guzmáns, der das Auftreten des Königspaars auf Reisen wie
folgt beschrieb:
Dann brachen Ihre Majestäten in Richtung León und Zamora auf, wo sie unter einem Bal-
dachin empfangen wurden, denn es handelte sich um ihren ersten Besuch […]. Ihre Majes-
täten erbrachten in diesen Städten zahlreiche Beweise ihrer Pietät und Gläubigkeit, indem
sie sich viel Zeit dafür nahmen, ihre königlichen Häupter über reich gestaltete Schreine aus
Gold und Silber zu beugen, in denen zahlreiche kostbare Reliquien aufbewahrt sind, die sie
mit großer Hingabe betrachteten, anbeteten und küssten.28
25 Relación que trata de la entrada que su magestad del rey, don Felipe nuestro señor y reina hicieron
en la ciudad de Leon con el recibimiento y fiestas que se les hizo, en este año de mil y seiscientos y
dos, en primero deste mes de febrero (Sevilla 1602). RACMyP, 20.879 (62).
26 Cabrera de Córdoba 1857 (wie Anm. 20), S. 74 f., 129 f., 134 f., 181 f.
27 Ebenda, S. 332, 341 f., 374. Für den politischen Kontext siehe María José del Río Barredo, Mad-
rid, urbs regia. La capital ceremonial de la Monarquía Católica (Madrid 2000), S. 88–92.
28 „Luego partierô sus Magestades para la ciudad de Leô y Çamora, adonde los recibieron con Palio, por
ser la vez primera […]. Dieron sus Magestades muchas muestras de su piedad y religión en estos lugares,
viendo, venerando, y besando muy de espacio con mucha devociô las muchas y preciosas reliquias que en
estas ciudades ay en ricas arcas de oro y plata, metiendo sus Reales cabeças en ellas“. Diego de Guzmán,
Reyna católica. Vida y muerte de D. Margarita de Austria Reyna de Espanna (Madrid 1617). BNE,
R 25.370, fol. 131r–132r.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Titel
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Untertitel
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Autor
- Mario Döberl
- Herausgeber
- Alejandro López Álvarez
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918