Seite - 87 - in Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Bild der Seite - 87 -
Text der Seite - 87 -
Tragsessel in der spanischen Monarchie des 16 und 17 Jahrhunderts 87
Vermutlich vereitelte der frühe Tod Königin Margaretes, dass Tragsessel schon zu ei-
nem früheren Zeitpunkt eine wichtigere Rolle im Rahmen des Hofzeremoniells einnah-
men. Erst für Anfang der 1620er Jahre lässt sich schließlich ihre nachhaltige Integration
in das königliche Zeremoniell beobachten. Dennoch soll das Augenmerk an dieser Stelle
auf zwei Beispiele gelenkt werden, die zeigen, dass die Verwendung von Tragsesseln durch
die Königin schon früher Resonanzen hervorrief. Das erste betrifft ein außergewöhnliches
Gemälde33, das anlässlich der in Florenz abgehaltenen Trauerfeier für Königin Margarete
entstand und das die Monarchin in einem Tragsessel zeigt, ein Motiv, das später in einem
ähnlich gestalteten Stich übernommen wurde34 (Abb. 2). Das andere Beispiel, in dem sich
die Bedeutung von Tragsesseln als zeremonielles Element von großer Symbolkraft ma-
nifestiert, betrifft den berühmten Prinzessinenaustausch von 1615, ein Ereignis, bei dem
Spanien und Frankreich einen intensiven Wettstreit auf zeremonieller Ebene austrugen,
wobei klar zu Tage trat, welch außerordentliches Potential in dieser Hinsicht in Prunk-
vehikeln steckte. Gemäß den 1611 festgesetzten Bestimmungen des Vertrags von Fontaine-
bleau wurde im Jahr 1615 die spanische Infantin Anna mit dem französischen König Lud-
wig XIII. vermählt. Gleichzeitig reiste aus Frankreich Prinzessin Élisabeth de Bourbon an,
um den zukünftigen König Philipp IV. zu heiraten.35 Interessanterweise bot dieses Ereignis
die Bühne für eine Propagandaschlacht, bei der Vehikel eine bedeutende Rolle spielten.
Duque de Lerma, der Favorit des Königs, der damals das Amt des Oberststallmeisters in-
nehatte, nutzte dieses Ereignis in besonders eindrucksvoller Weise zur Prunkentfaltung: In
Burgos, wo die Ehen per procurationem geschlossen wurden, ließ er sich von acht Sesselträ-
gern in einem goldbestickten Tragsessel in die Kathedrale bringen. Begleitet wurde er dabei
vom Marqués de Peñafiel, dem Marqués de Povar und den Condes de Paredes, Olivares
und Oliva. Dem Tragsessel folgten eine Sänfte aus karmesinrotem Samt sowie eine reich
ein Oberkutscher, zwei Unterkutscher, ein Kammerkutscher, drei weitere Kutscher, drei Maultier-
knechte, sechzehn Lakaien und vierzehn Sesselträger. Noticias del viaje de la Infanta Dª Margarita
María, desposada con el Emperador Leopoldo I, desde Madrid hasta Roveredo (Tirol) en 1666, zit.
nach: Antonio Rodríguez Villa, Dos viajes regios (1679 y 1666). In: Boletín de la Real Academia
de la Historia 42 (1903), S. 379 f.
33 Zu beiden Bildquellen siehe ausführlich: Glorias efímeras. Las exequias florentinas de Felipe II y
Margarita de Austria (Ausstellungskatalog, Madrid 1999).
34 Giovanni Altoviti, Essequie della Sacra Católica e Real Maestà di Marguerita d’Austria Regina di
Spagna, celebrate dal Serenísimo don Cosimo II, Gran Duca di Toscana III (Firenze 1612), BNE,
R 22.299, S. 14 f.
35 María José del Rio Barredo, Imágenes para una ceremonia de frontera: el intercambio de las prin-
cesas entre las Cortes de Francia y España en 1615. In: Joan Lluís Palos/Diana Carrió-Invernizzi
(Hg.), La historia imaginada: construcciones visuales del pasado en la Edad Moderna (Madrid
2008), S. 153–184.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Titel
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Untertitel
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Autor
- Mario Döberl
- Herausgeber
- Alejandro López Álvarez
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918