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90 Alejandro López Álvarez
für die sieben Meilen lange Strecke ganze fünf Tage.42 Weitere Details dieser Reise schil-
derte ein Madrider Handwerker, der seine Informationen möglicherweise aus einem un-
bekannten Bericht bezogen hatte. Allem Anschein nach war ursprünglich eine viertägige
Reise geplant gewesen, die wie folgt in Madrid ihren Anfang nahm:
Am Montag, den 18. April 1622, brach an diesem Hofe um fünf Uhr nachmittags Ihre Ma-
jestät Königin Isabella mit dem Kardinalinfanten in Richtung Aranjuez auf, wo prunkvolle
Feierlichkeiten für sie vorbereitet wurden. Es waren die ersten Festivitäten, die seit dem
Tod Seiner Majestät (Gott habe ihn selig) ein Jahr zuvor stattfanden. Ihre Majestät wurde
im Tragsessel getragen, da sie im dritten Monat schwanger war. Der Conde de Benavente
begleitete sie in seiner Funktion als Hofmeister. Infantin Doña María und alle Hofdamen
befanden sich ebenfalls in ihrem Gefolge.43
Diese Beschreibung ist unter anderem deshalb von Interesse, weil darin mit dem Hof-
meister nur ein einziger hoher Amtsträger im Gefolge der Königin erwähnt ist. Bald schon
sollte sich die Komplexität des Zeremoniells erhöhen, als erneut Elemente des burgun-
dischen Hofzeremoniells in jenes der spanischen Könige Eingang fanden. Anlass für die
Änderungen gab ein Besuch des Prinzen von Wales, des zukünftigen Königs Karl I. von
England, im Jahr 1623. Beim Empfang des Prinzen, der beabsichtigte, die spanische In-
fantin Maria Anna zu heiraten, trat klar der Wunsch zum Vorschein, dem Zeremoniell
der Königin größere Aufmerksamkeit zu schenken. Die Königin erschien am 1. Juni zum
Stierkampf auf der Plaza Mayor in Madrid im Tragsessel, umgeben von einem festlichen
Gefolge. Ihren glänzenden Auftritt absolvierte sie
aufgrund ihrer Schwangerschaft im Tragsessel, in Begleitung sämtlicher Adeliger aus der
Kammer des Königs, der Stall- und Hofmeister sowie des Conde de Olivares. Alle gingen
zu Fuß zu beiden Seiten des Tragsessels, rechts der Conde de Benavente als Hofmeister der
Königin und linker Hand der Marqués de Almazán als Oberststallmeister, und nahe dem
Tragsessel fuhren auf einer Seite die Kutsche mit der Infantin und ihren Geschwistern und
dahinter die Kutschen der Hofdamen. Kurz darauf folgte der König in seiner Kutsche, zu
42 Enrique Flórez, Memorias de las reinas Católicas, 2 Bde. (Valladolid 2002, erstmals Madrid 1761),
Bd. 2, S. 939.
43 „Lunes, 18 de abril de 1622 años, salió de esta corte, a las cinco de la tarde, su majestad de la señora reina
madama Isabela con el Infante Cardenal al sitio de Aranjuez a unas fiestas muy grandiosas que le tenían
prevenidas y fueron las primeras que se lucieron después de haber cumplido el un año que Su Majestad
murió, que esté en el cielo. Llevaron a Su Majestad en silla de mano por estar preñada de tres meses. Iba
el señor Conde de Benavente haciendo oficio de mayordomo. Iba también la señora infanta doña María
y todas las damas“. Antonio de Leon Soto, Noticias de Madrid, BNE, Mss. 2.395, fol. 102r.
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Titel
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Untertitel
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Autor
- Mario Döberl
- Herausgeber
- Alejandro López Álvarez
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918