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92 Alejandro López Álvarez
da an scheint es zur Regel geworden zu sein, die Königin mit einem großen Gefolge zu
umgeben. Dies wird auch aus einer nach 1628 entstandenen Reisebeschreibung Madrids
aus der Feder des Franzosen Monconys ersichtlich, der dazu Folgendes anmerkte:
Pour la Reine elle se fait toûjours porter dans une petite litiere par deux hommes, accom-
pagnée de sept ou huit carrosses, dans lesquels sont ses Dames; & proche d’elle a pié quan-
tité de Seigneurs qui l’accompagnent toûjours découverts.48
Aus den zuvor erwähnten Quellen wird evident, dass die zeremonielle Regelung der öf-
fentlichen Ausgänge der Königin von jener Zeit herrührte. Das damals entwickelte Zere-
moniell löste wohl die bis dahin praktizierten Gepflogenheiten ab und blieb die folgen-
den achtzig Jahre in Gebrauch. Als Konsequenz daraus erlangte der Oberststallmeister der
Königin eine größere Bedeutung innerhalb ihres Gefolges, was die ohnehin schon vor-
handene Tendenz, Elemente des burgundischen Hofzeremoniells in steigendem Maß zu
integrieren, noch weiter verstärkte. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass
die Rolle des Oberststallmeisters in Burgund weit bedeutender war als in Kastilien.49 Auch
wenn sich eine schriftliche Version des Zeremoniells bislang nicht auffinden ließ, ist seine
Existenz doch durch mehrere Quellen belegt. Die damals erfolgte Normierung, die auch
Einfluss auf andere Situationen im Leben der Königin hatte und die Adelige vermehrt
zwang, zu Fuß zu gehen, rief Proteste hervor, etwa bei Francisco de Portugal, der in den
1620er Jahren hinsichtlich des Vorrechtes von Kavalieren, Damen auf dem Trittbrett von
Kutschen zu begleiten, verärgert feststellte, dass dieses Privileg durch den vermehrten Ge-
brauch von Tragsesseln seitens der Königin unterminiert würde.50
Die Gewohnheit, den Tragsessel der Königin zu begleiten, verfestigte sich in den dar-
auf folgenden Jahren. So definierte eine Vorschrift von 1638 genau, an welcher Stelle der
48 Balthasar de Monconys, Les Voyages De Monsieur De Monconys. Quatrieme Partie: En Espagne:
Avec une Relation exacte sur la mort du Sultan Hibraim, Traitté pour connoître le poids des Li-
queurs, Traitté de l’Algebre, un Recüeil de Poésies, & un autre de Lettres; & les Indices pour toutes
les 4 Parties: Enrichie de Figures en taille douce (Paris 1695). WLB, Geogr. Oct. 4741, S. 79.
49 Siehe Félix Labrador Arroyo/Alejandro López Álvarez, Lujo y representación en la Monarquía
de los Austrias: la configuración del ceremonial de la caballeriza de las reinas, 1570–1600. In: Espa-
cio, Tiempo y Forma. Historia Moderna 23 (2012), S. 19–39.
50 „Con los acompañamientos de la silla de la Reyna se venieron arastar sus privilegios, que el respeto de los
validos rompió estos fueros bien desnecesariamente, que a los galanes, no los apea más que la cortezía,
que aquella región queda izentada del poder“. Francisco de Portugal, Arte de galantería (Lisboa
1670), BNE, R 4.593, S. 51 f. Tatsächlich wurde der dem Buch zugrunde liegende Text schon lange
vor dem Publikationsdatum verfasst. Francisco de Portugal besuchte noch den Hof Philipps IV.
und verstarb bereits 1632.
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Titel
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Untertitel
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Autor
- Mario Döberl
- Herausgeber
- Alejandro López Álvarez
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918