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Tragsessel in der spanischen Monarchie des 16 und 17 Jahrhunderts 119
zum Tragsessel zu begleiten, war auch unter führenden Klerikern verbreitet. Ein Bei-
spiel hierfür bietet Kardinal Portocarrero, der im Jahr 1682 nach Beendigung der ersten
Sitzung des Konzils von Toledo den feierlichen Segen erteilte, zu Chormantel und Birett
griff und
sich in Begleitung in den Innenhof begab, wo der Tragsessel stand. Dort entließ er die Mit-
glieder des Domkapitels und ließ sich im Tragsessel in sein Quartier bringen.126
Im öffentlichen Raum war das Zeremoniell etwas komplexer. Dies demonstriert der Fall
des Generalinquisitors, der sich 1680 nach einem abgehaltenen Autodafé öffentlich im
Tragsessel zeigte. Gegen neun Uhr am Abend, nach Beendigung des Gottesdienstes, wur-
den ihm die Messgewänder abgenommen und
in Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde und da er die Rückkehr zum Rat auf dieselbe
Weise und mit gleichem Gefolge bestreiten wollte wie zuvor den Hinweg, beschloss er,
seinen Tragsessel aus violettem Plüsch zu nehmen. Begleitet wurde er von seinen Dienern –
nämlich vier Sesselträgern und davor und dahinter zwölf Lakaien mit dem Beil –, die eine
dazu passende Livree trugen, sowie von Don Juan de Ocampo, dem Stallmeister Seiner
Exzellenz und Schätzmeister des Rates, der hinter dem Tragsessel ritt und dem eine rund
geformte coche de respeto sowie zwei weitere Kutschen folgten, in denen sich Kapläne und
Pagen Seiner Exellenz befanden.127
Der Einsatz von Tragsesseln war jedoch keineswegs nur auf Mitglieder der kirchlichen
Elite beschränkt. Vielmehr scheinen Tragsessel zu besonderen Anlässen auch von einfachen
Priestern und Nonnen benutzt worden zu sein, wie etwa bei der Gründung oder feier-
lichen Eröffnung religiöser Einrichtungen. Ein Beispiel hierfür datiert vom 29. Juni 1638,
126 „[…] salió con el acompañamiento hasta el patio donde estaba la silla de manos, y despidiendo los comi-
sarios del Cabildo de su Santa Iglesia ciudad y a los demás, subió en ella a su cuarto“. Sínodo diocesana
del arzobispado de Toledo celebrada en Abril de 1682 por el Excelentisímo Señor Don Luis Manuel
de Portocarrero añadida con varios edictos (Madrid 1849), S. XXVIII.
127 „[…] viendo la incomodidad de la hora, para que pudiese volver al consejo en forma con el acompa-
ñamiento que había venido, resolvió volverse, como lo egecutó, en su silla de manos de felpa morada,
correspondiente a la librea, con cuatro silleteros, doce lacayos con hachas delante y detrás, y don Juan
de Ocampo, caballerizo de S. E. y tasador de papeles del consejo, a caballo siguiendo la silla, y después
un coche redondo de respeto, a quien sucedían dos coches en que fueron los capellanes y pages de S. E.“
José del Olmo, Relación histórica del auto general de fe que se celebró en Madrid este año de 1680
(Madrid 1820), BNE, R 36.963, S. 71.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Titel
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Untertitel
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Autor
- Mario Döberl
- Herausgeber
- Alejandro López Álvarez
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918