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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Seite - 266 -
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266 Mario Döberl Die erstmalige Verwendung eines Tragsessels galt als ein allgemein, auch in breiten Be- völkerungsschichten, verstandenes Zeichen dafür, dass das Kaiserpaar Nachwuchs erwar- tete. Von in Wien stationierten Botschaftern wurde ein solcher symbolischer Hinweis stets umgehend in die eigene Heimat gemeldet. Als Beispiel sei hier nur der venezianische Bot- schafter Marin Zorzi erwähnt, der am 2. August 1670 aus Wien schrieb, dass sich die Kai- serin zwei Tage zuvor öffentlich in einem Tragsessel in die Jesuitenkirche tragen ließ, nach- dem die ersten beiden Schwangerschaftsmonate glücklich vorübergegangen waren. Die ganze Stadt, so der Botschafter, habe sich gefreut, die Kaiserin im Tragsessel zu sehen, und hoffe nun auf die Geburt eines Sohnes.250 Von der überschwänglichen Freude einfacher Leute beim Anblick einer Kaiserin im Tragsessel berichtete auch Johanna Theresia Gräfin Harrach 1677 in einem ihrer Tagzettel.251 Andererseits bedurfte es auch keiner Worte, wenn sich die Hoffnungen auf eine eingetretene Schwangerschaft als trügerisch herausstellten oder wenn eine bereits proklamierte Gravidität plötzlich mit einer Fehlgeburt zu Ende ging. In einem solchen Fall reichte es, wenn die Kaiserin wieder den Reifrock anlegte und sich in einer Karosse anstatt in einem Tragsessel transportieren ließ, um jedermann über den neuen Stand der Dinge zu unterrichten.252 tiner-Kirch tragen / und dieses geschahe wegen tragender Leibs-Frucht.“ Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass der für die Bekanntmachung der Schwangerschaft gewählte Zeitpunkt damals relativ früh lag, nämlich bereits rund sieben Monate vor der Geburt (Erzherzog Ferdinand Wenzel kam am 28. September 1667 zur Welt). Dieser für heutige Verhältnisse frühe Zeitpunkt lässt sich auch in anderen Fällen beobachten. Einen besonders frühen Moment wählte etwa Kai- serin Eleonore Magdalene, als sie am 3. Dezember 1677 durch die erstmalige Verwendung des Tragsessels der Öffentlichkeit kundtat, guter Hoffnung zu sein (ÖStA, AVA, FA Harrach, Hs. 6, fol. 421v), und erst am 26. Juli 1678 – also erst fast acht Monate danach – ihren Sohn, den späteren Kaiser Joseph I., gebar. 250 „Giovedì sortì publicamente l’imperatore con l’imperatrice la prima volta doppo scoperta la gravidanza, terminati essendo li due mesi felicemente. L’occasione fu di trasferirsi alla chiesa de padri gesuiti per la festa di sant’Ignatio. Tutta la città si rallegrò nel vedere sua maestà portata in sedia per contrassegno delle gratie del cielo, che si sperano col parto fortunato d’un prencipe.“ Venezianischer Botschafter Marin Zorzi an Doge Domenico II Contarini, Wien 1670 August 2, ÖStA, HHStA, Venedig, DdG, Bd. 135, S. 416. Drei Wochen später musste der Botschafter vermelden, dass die Schwangerschaft mit einem Abort zu Ende gegangen war. Venezianischer Botschafter Marin Zorzi an Doge Domenico II Contarini, Wien 1670 August 23, ÖStA, HHStA, Venedig, DdG, Bd. 135, S. 481. 251 „nacher bin ich zu den augustinern zumb krab und bliben biß daz der keiser komen ist, […] die keiserin hadt sich daz meist tragen lasen, daz krose freidt verursacht hadt bei den gemein.“ Johanna Theresia Gräfin Harrach, Tagzettel von 1677 April 17; Susanne Claudine Pils, Schreiben über Stadt. Das Wien der Johanna Theresia Harrach 1639–1716 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 36, Wien 2002), S. 236. 252 Als Beispiel dafür sei ein Schreiben von Botschafter Zorzi nach Venedig angeführt: „È svanita per hora la speranza, che l’imperatrice fosse gravida. Di nuovo ha ripreso il guardinfante, et sortendo di Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Titel
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Untertitel
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Autor
Mario Döberl
Herausgeber
Alejandro López Álvarez
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20966-9
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorien
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