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268 Mario Döberl
Neben schriftlichen Hinweisen auf die Verwendung von Tragsesseln durch die drei Ge-
mahlinnen Kaiser Leopolds I. existieren auch Bildquellen, die seine erste Frau, Kaiserin
Margarita Teresa, und seine dritte Frau, Eleonore Magdalene, im Tragsessel zeigen. Die
älteste dieser Darstellungen ist ein Kupferstich aus Vischers 1672 publiziertem Werk „Topo-
graphia Archiducatus Austriae inferioris modernae“ (Abb. 10). Es zeigt den Inneren Burg-
hof der Wiener Hofburg mit dem 1666 fertiggestellten, zwei Jahre später bei einem Brand
zerstörten und anschließend wieder errichteten „Leopoldinischen Trakt“ im Hintergrund.
Auf dem Platz ist ein festlicher Aufzug im Gange, bei dem unter anderem eine von Garden
flankierte sechsspännige Karosse mit Kaiser Leopold I. zu sehen ist. Unmittelbar dahinter
folgt Kaiserin Margarita Teresa in einem von zwei Sesselträgern beförderten verglasten Ses-
sel. Die Kaiserin, die Ende 1666 im Alter von fünfzehn Jahren an den Wiener Hof gekom-
men war und bis zu ihrem Tod 1673 gleich sieben, meist unglücklich verlaufende Schwan-
gerschaften durchlebte,253 erwartete vermutlich auch während des hier abgebildeten Aufzugs
– das genaue Datum und der Anlass des dargestellten Ereignisses sind unbekannt – gerade
ein Kind und wird wohl auch deshalb im Sessel getragen. Eine andere Bildquelle (Abb. 11)
zeigt die Ankunft des Herzogspaars von Pfalz-Neuburg, der Eltern von Kaiserin Eleonore
Magdalene, am 18. Juli 1678 in Wien. Die Kaiserin war damals hochschwanger und stand
unmittelbar vor ihrer ersten Niederkunft. Ihre Eltern waren eigens von Neuburg die Donau
stromabwärts angereist, um die Geburt ihres ersten Enkelkindes nicht zu versäumen. Der
Kupferstich zeigt den Empfang des Herzogspaars am Donauufer. Kaiser Leopold I., der die
Ankunft seiner Schwiegereltern in seiner Karosse abgewartet hatte, ist auf dem Bild gerade
im Begriff, aus der Karosse zu steigen. Der ihm entgegengeeilte Herzog, dem mit einigem
Abstand die Herzogin folgt, verneigt sich vor dem Kaiser und küsst ihm die Hand. Die Kai-
serin selbst verfolgt die Szene etwas weiter links von ihrem geschlossenen Tragsessel aus, der
von zwei Sesselträgern befördert wird. Der entsprechende schriftliche Eintrag im Hofzere-
monialprotokoll bestätigt, dass sich die Empfangsszene am Donauufer tatsächlich in etwa
so ereignete, wie auf dem Kupferstich abgebildet.254 Wie authentisch die Darstellung des
recht schematisch wiedergegebenen Tragevehikels ist, sei jedoch dahingestellt. Ebenso frag-
würdig ist die Authentizität der Darstellung eines Tragsessels auf einem Einblattdruck, der
den Festeinzug des Kaiserpaars am 22. Mai 1681 in Ödenburg anlässlich eines ungarischen
Landtags (Abb. 12) zum Thema hat.255 Hinter dem reitenden Kaiser ist dessen Gemahlin
Palazzo, si mette in carozza.“ Venezianischer Botschafter Marin Zorzi an Doge Domenico II Con-
tarini, Wien 1670 November 8, ÖStA, HHStA, Venedig, DdG, Bd. 136, S. 158.
253 Alfred A. Strnad, Margarethe, Infantin von Spanien. In: Neue Deutsche Biographie, Bd. 16 (Ber-
lin 1990), S. 155–157, hier S. 156.
254 ÖStA, HHStA, ZA, Prot. 3, fol. 150r–151v.
255 Eine ausführliche Beschreibung dieses Einzugs findet sich auch in den Zeremonialprotokollen:
ÖStA, HHStA, ZA, Prot. 3, fol. 318r–320v.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Titel
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Untertitel
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Autor
- Mario Döberl
- Herausgeber
- Alejandro López Álvarez
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918