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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Seite - 274 -
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274 Mario Döberl Dass Harrach in Spanien auch selbst Tragsessel verwendete, ist unwahrscheinlich, zu- mindest ist in seinem außergewöhnlich penibel geführten Tagebuch der Jahre 1673 bis 1677, in dem er von ihm benutzte Fahrzeuge häufig erwähnte, keine Rede davon.275 Ein solcher Verzicht auf Tragsessel scheint damals durchaus typisch für den männlichen Adel der Habsburgermonarchie gewesen zu sein. Die wenigen Quellen, die den Gebrauch von Tragsesseln durch adelige Herren erwähnen, liefern meist auch gleich den Grund für die Verwendung eines solchen Transportmittels mit, und dieser steht in der Regel in Zusammenhang mit Gesundheitsproblemen oder hohem Alter. Hierfür seien einige Beispiele angeführt. So ließ sich etwa der ehemalige kaiserliche Obersthofmeister Gun- daker Fürst Liechtenstein, der schon seit den 1630er Jahren unter Gichtattacken litt, im Alter von siebenundsiebzig Jahren vom kaiserlichen Hoftischler einen Tragsessel bauen, da ihm damals sogar das Kutschenfahren schon zu anstrengend geworden war.276 Ein anderes Beispiel liefert der ungarische Palatin Franz Wesselényi von Hadad, dem 1662 in der Pressburger Franziskanerkirche der Orden vom Goldenen Vlies verliehen wurde, wobei er sich eines Tragsessels bedienen musste, was, wie das Zeremonialprotokoll hierzu vermerkt, „des podagra halber“ geschehen sei.277 Auch der böhmische Obersthofmeister Graf Maximilian Valentin Martinitz benutzte nur aus gesundheitlichen Gründen einen Tragsessel: Er brach 1665 trotz mehrfacher Warnungen in schlechter körperlicher Ver- fassung in einer Kutsche von Prag in Richtung Karlsbad auf, musste allerdings schon bei Schloss Stern auf einen Tragsessel umsteigen, da er „daß schüttlen deß wagens nicht er- leiden“ konnte.278 Kardinal Ernst Adalbert von Harrach, dessen Leben durch seine über- lieferten Diarien und Tagzettel bis zum Jahr 1667 besonders detailreich dokumentiert rin neben den sessel zu leichten. Einen sessel vor die graffin von blawen silberstuck, auß und ein- wendig mit guldenen spizen, und vergulden neglen geziert, sambt einen vened[ischen] spieglglaß, fürhangl von silberstuckh, riembe von dergleichen und allr zugehör. [Randvermerk von anderer Hand: „Ist in Teutschlandt das süberstuk verkaufft, die beschlecht udt gestell aber in der almo- neda.“] Einen anderen sessel inwendig von rothen damasc, fürhängl von eben diesen, außwendig von grawen paracan mit rott seidenen franßl ganz überstickht sambt einen vened[ischen] glaß und allr zuegehör. [Randvermerk von anderer Hand: „Ist in der almoneda verkaufft worden.“] Noch ei- nen anderen sessel inwendig und die fürhängl von rothen damasc, außwendig von leder mit einen weisen gewixt, und mit rothen fränßlen gestickhten überzug sambt allr zugehör.“ „Verzaichnus der jenigen mobilien so ihro hoch gräff. ex.ce herr herr graff von Harrach, alhier lassen werden.“, undat. (aber 1677), ÖStA, AVA, FA Harrach, K. 775, Konv. „Tapezereien“, unfol. 275 Vgl. ÖStA, AVA, FA Harrach, Hs. 6/1 und 6/2. 276 Thomas Winkelbauer, Fürst und Fürstendiener. Gundaker von Liechtenstein, ein österreichi- scher Aristokrat des konfessionellen Zeitalters (MIÖG Ergänzungsbd. 34, Wien/München 1999), S. 470 f. 277 ÖStA, HHStA, ZA, Prot. 2, S. 998. 278 Keller/Catalano 2010 (wie Anm. 213), Bd. 7, S. 612. Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Titel
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Untertitel
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Autor
Mario Döberl
Herausgeber
Alejandro López Álvarez
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20966-9
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorien
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