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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Seite - 317 -
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Seite - 317 - in Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts

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Tragsessel am Münchner Hof 317 schiedlichen Webmustern bezogen, wobei die textile Verkleidung des abnehmbaren Daches besonders gut erhalten ist (Abb. 3). Der Innenraum ist – am Boden, um die Fenster-Bordüren und um das Türfeld – mit mehreren Hundert vergoldeten Ziernägeln sehr reich beschlagen. Die Tür des Tragsessels lässt sich nur öffnen, wenn das Dach angehoben wird, wodurch auch das Ein- und Aussteigen erleichtert wird. Die Ausstattung mit sogenanntem Goldtuch oder „drap d’or“, einem mit Goldfäden durchwebten Textil, war ein Zeichen kaiserlicher Abstam- mung.6 Maria Antonia hatte als kaiserliche Prinzessin und einzige überlebende Tochter aus der ersten Ehe Kaiser Leopolds I. Anspruch auf dieses Würdezeichen. Für ihren zukünftigen Gatten, Kurfürst Max Emanuel, war die Heirat mit der Kaisertochter ein wichtiger Baustein für das eigene Streben nach Rangerhöhung und Machtzuwachs, um das wichtigste Ziel, die Kaiserwürde, zu erlangen. Die entsprechende Repräsentation seiner Braut kann somit auch als Demonstration der eigenen politischen Ziele und Ansprüche gewertet werden. Noch im 19. Jahrhundert fand der Tragsessel von Kurfürstin Maria Antonia am Münch- ner Hof so große Wertschätzung, dass er im kurfürstlichen „Wagen-Inventarium“ von 1799–1811 an erster Stelle der „Senften“ genannt wurde: Ein Tragsessel auswendig von rothem Samet mit Gold gestückt [gestickt], goldenen Fran- zen, und Crepinen garniert; inwendig aber von goldenem ganz reichen Zeugs ausgemacht nebst solchem Sitzkissen mit goldnen Franzen besetzt, dann Vorhängen von rothem Gros- detour mit Gold gestückt.7 Diese einst rötlichen, mit Goldmetallfaden bestickten Vorhänge aus Gros de Tours sind in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts zu datieren.8 Sie ersetzten wohl die erste Vorhanggarnitur aus Goldtuch. Heute sind die Vorhänge aufgrund von Lichteintrag verblichen und erschei- nen in einem zarten Gelb. Der einstige Rotton der Vorhänge, die vor die original erhaltenen Schiebefenster gezogen werden konnten, ist lediglich noch im Inneren als helles Rosa zu er- kennen. Der Tragsessel war damals laut Inventar in der Sattelkammer deponiert, wo die Kost- 6 Gottfried Stieves „Hoff-Ceremoniel“ von 1723 beschreibt im Kapitel „Was für ein Ceremoniel bey Zusammenkunfft Kayerl. Majestät, und eines Churfüsten gewöhnlich ist“ das Audienzzim- mer: „In diesem sind die Sessel, und zwar des Kaysers meistens von Gold- oder Silber-Brocat, des Churfürsten aber von Carmesin-Sammet, mit goldenen Frantzen bordieret“. Gottfried Stieve, Hoff-Ceremoniel (Leipzig 21723), S. 186. Vgl. auch: Esther Janowitz, Textile Pracht und höfisches Zeremoniell. In: Rudolstädter Forschungen zur Residenzkultur, Bd. 3: Zeichen und Raum (Mün- chen 2006), S. 325–350, hier S. 340; Wackernagel 2002 (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 102. 7 BSV.Inv0195, fol. 224v. 8 Gros de Tours ist ein mit Leinen gebundenes Seidengewebe, in dem der Schuss aus jeweils zwei Fäden gebildet wird. Für die zeitliche Einschätzung danken wir sehr herzlich Prof. Dr. Birgitt Borkopp-Restle, Universität Bern. Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Titel
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Untertitel
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Autor
Mario Döberl
Herausgeber
Alejandro López Álvarez
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20966-9
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorien
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