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324 Gudrun Szczepanek – Friederike Ulrichs
Tragsessel oder Sänften.22 Erst zwanzig Jahre später im Inventar von 1581 findet sich ein „Ver-
zaichnus waß auf die Esl geherig“.23 Im „Ersten [bis] driten Castn“, womit vermutlich die ge-
mauerten Verschläge in den Arkaden gemeint sind, befanden sich sechs zum Teil alte Sänften
sowie Zubehör wie Sänftensättel, Eseldecken und Zaumzeug für die Lasttiere. Möglicherweise
handelte es sich um ausgediente Sänften, denn einige Seiten weiter folgt noch einmal eine
Auflistung von sechs „Senfften“, darunter eine Sänfte „für die junge Herrschafft“. An dieser
Stelle handelt es sich um prunkvolle und repräsentative Sänften, die mit schwarzem Samt, ro-
tem Atlas oder Leder überzogen und mit „vergultem Geschmeid“ ausgestattet waren.24 Da das
Inventar keine Tragsessel nennt, Sänften jedoch an zwei unterschiedlichen Stellen aufgelistet
werden, könnte man schließen, dass die beiden Begriffe synonym verwendet wurden. Dies ist
jedoch unwahrscheinlich, unterscheidet doch das spätere Gesamtinventar von 1656 eindeutig
zwischen Sänften und Tragsesseln, wenn es heißt: „Volgen die Leibsönfften und Tragseßl“.
Neben sieben Sänften werden sechs „gedöckt Leibtragsessl“ und fünf „unbedöckhte Tragsessl“
aufgelistet (Quellenanhang 5.1).25 Vermerke über Reparaturen an Tragsesseln zeugen von ihrem
Gebrauch. So erwähnt das Inventar von 1656 auch, dass ein geschlossener „blausamtener Trag-
sessel“, der „mit Silber verbrämt“ war, aus Wien an den Münchner Hof kam. Da der blaue
Samt vollständig „abganngt gewesen“, also abgewetzt war, wurde er, einer Anmerkung im In-
ventar zufolge, mit schwarzem „herschei [Hirschleder?]“ neu bezogen.26
2 2 Erste Tragsessel unter Kurfürstin Maria Anna, 1635
Möglicherweise kam dieser Tragsessel, der in den heraldischen Farben der Wittelsbacher
gefertigt war, mit Erzherzogin Maria Anna von Österreich (1610–1665) nach München. Sie
hatte 1635 in Wien den bayerischen Kurfürsten Maximilian I. (reg. 1597–1651, ab 1623 als
Kurfürst) als dessen zweite Gemahlin geheiratet. Dass der blaue Samt zwanzig Jahre später
abgenutzt war, ist selbst bei mäßigem Gebrauch kein Wunder. Bereits 1638 werden in den
22 „Verzeichnus aller Rüstung und Varnus so von […] Herzog Albrechts wegen […] dem Tristrant
Götzengriener jezigen Stalmaister […] eingeanntworth worden“. München 1560 September 16.
BHStA, HR I, Fasz. 91, Nr. 56 (1).
23 „Inventary uber den fürstl. Stal, was an Pferden, Sätln, Zeugen, Senfften-, Gutschn- Schlitten-
zeug und anderem verhanden […]“. 1581 August 29. 35 beschriebene Blätter, nachträglich foliert.
BHStA, HR I, Fasz. 23, Nr. 67 f.
24 BHStA, HR I, Fasz. 23, Nr. 67 f., fol. 50v–51r (nachträglich foliert).
25 „Inventarium yber die churfürstliche Sadtlcammer und Wagenheuser, waß nach Ableiben ihrer
churfürstlichen Durchl. [gemeint ist Kurfürst Maximilian] […] verhandten auch seither wider
darzue gemacht worden […]“. 1656 April 22. BHStA, HR I, Fasz. 91, Nr. 56 (1).
26 In späteren Inventaren auch geschrieben „herisey“ oder „ heristey“. Vgl. auch Inventar vom 5. April
1663, BHStA, HR I, Fasz. 91, Nr. 56 (1).
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Titel
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Untertitel
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Autor
- Mario Döberl
- Herausgeber
- Alejandro López Álvarez
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918