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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
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330 Gudrun Szczepanek – Friederike Ulrichs Außerdem durfte er die Residenz mit dem Kaisersaaltrakt, dem Antiquarium und den kurfürstlichen Sammlungen sowie die Pferdezucht in Schleißheim besichtigen. Schließ- lich wurde er auch zur Taufe des kurfürstlichen Prinzen Max Emanuel am 21. September 1662 mit den begleitenden Festlichkeiten wie Jagden, Opern und Turnieren eingeladen. Der Marchese notierte ausführlich die Begebenheiten und seine Eindrücke in einem „Dia- rio“, einem tagebuchartigen Bericht, der im Staatsarchiv in Parma aufbewahrt wird.49 Ganz besonders interessierte ihn das Zeremoniell am Münchner Hof, wobei sich auch immer wieder Hinweise auf den Gebrauch von Tragsesseln finden.50 Zwei Tage vor der Taufe, am 19. September, machte sich der Münchner Hof in meh- reren Kompanien auf den Weg, um Herzog Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg, einen Vetter von Kurfürst Ferdinand Maria, vor den Toren der Stadt zu begrüßen. Dem Mar- chese Pallavicino selbst wurde ein grauscheckiges, edles Rassepferd zur Verfügung gestellt. Nach den Trompetern und Trommlern folgten rund fünfzig Kavaliere, dann noch einmal Trommler und schließlich auf Pferden Kurfürst Ferdinand Maria, flankiert vom Freisinger Bischof Albrecht Sigismund von Bayern sowie Herzog Maximilian, dem jüngeren Bru- der des Kurfürsten. Anschließend folgte die Kurfürstinwitwe in einem schwarzen Trag- sessel, der von ihren eigenen Dienern getragen wurde, die gleichfalls ganz in schwarzen Samt gekleidet waren.51 Neben dem Tragsessel ritt ihr oberster Kammerherr Graf Fugger, gefolgt von der Leibgarde in ihren Livreen mit Tambourinen. Anschließend fuhren drei sechsspännige Kutschen, die alle mit schwarzem Samt ausgekleidet waren. Diese leeren, prächtig ausgestatteten Kutschen vertraten vermutlich den 1651 verstorbenen Kurfürsten Maximilian I. Den Abschluss des Zuges bildeten rund dreißig Karossen, in denen die Hofdamen und adligen Damen der Stadt fuhren. Die regierende Kurfürstin Henriette Adelaide war aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend. Nach ungefähr einer Weg- stunde machte der Zug halt, der Kurfürst und seine Kavaliere stiegen ab und warteten auf den Herzog von Neuburg. Nach dem Begrüßungszeremoniell gingen der Herzog und die Herzogin von Pfalz-Neuburg auch zur Kurfürstinwitwe, die noch immer in ihrem Trag- sessel saß. Sie hatte allerdings „die Bedeckung aufheben lassen und machte Anstalten, sich umständlich von ihrem Sessel zu erheben, blieb dann jedoch die ganze Zeit sitzen, weil sie wegen der Verletzung am Bein nicht laufen konnte“.52 49 Carteggio Farnesiano Estero, Busta 3, Baviera, c. 1. 50 In der Übersetzung von Susan Tipton werden die Begriffe „Sänfte“ und „Tragsessel“ meist syno- nym gebraucht. Im italienischen Text heißt es allerdings „cadrega“, also Tragsessel, abgeleitet vom griech. Καθέδρα oder lat. cathedra=Sitz, Sessel. 51 Tipton 2010 (wie Anm. 46), S. 31: „seguiva la Serenissima Elettrice Vedova in una cadrega nera che si faceva portare con suoi staffieri a parte, tutti vestiti di veluto nero […]“. 52 Ebenda, S. 88. Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Titel
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Untertitel
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Autor
Mario Döberl
Herausgeber
Alejandro López Álvarez
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20966-9
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorien
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