Seite - 335 - in Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Bild der Seite - 335 -
Text der Seite - 335 -
Tragsessel am Münchner Hof 335
den sich in den Akten der Hofamtsregistratur immer wieder Hinweise im Kontext ihrer
Stellung am Hof, der Witwenpension oder neuer Livreen. Laut Schreiben vom 2. Septem-
ber 1636 wurden sechs Hofsesselträger in die Leibgarde aufgenommen und ihre Besoldung
an die der Fußleibgarde angeglichen. Sie bekamen eine eigene Dienstkleidung, die einer
Kostenaufstellung vom 2. Mai 1659 zufolge in den Farben Schwarz und Weiß gehalten
war. Denn hier werden vor allem schwarzes und weißes Leinen, aber auch schwarzer Samt
und schwarze Borten genannt. Die entsprechende Ausstattung der Hofsesselträger war
auch sechzig Jahre später noch Thema, denn in einem Brief an Kurfürst Max Emanuel
vom März 1718 beschweren sich die Sesselträger, deren Besoldung zwei Jahre zuvor an die
der Hoflakaien angepasst worden war, dass sie schon seit drei Jahren keine neuen Livreen
erhalten hätten, während doch die Hoflakaien immerhin mit neuen „Sadut“-Röcken aus-
gestattet worden seien. Kurz darauf bekamen die Hofsesselträger dann neue Überröcke.69
Dass die Anschaffung neuer Livreen hinausgezögert wurde, kann man angesichts der ho-
hen Kosten durchaus verstehen. Laut einer Aufstellung von 1719 kostete eine Hofsesselträ-
ger-Livree 46 fl. 50¼ kr. Das war mehr als ein Eselknecht des kurfürstlichen Marstalls im
Jahr 1688 in sechs Monaten verdient hatte.70
3 2 Instruktion für den Sesselmeister der Stadt München, 1688
Bereits im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts war es nicht nur am Hof gebräuchlich, sich
eines Tragsessels zu bedienen, sondern auch in der Stadt konnten Tragsessel gemietet wer-
den. Dass den Sesselträgern dabei große Verantwortung zukam, liegt auf der Hand. Über
ihre Rechte und Pflichten gibt eine Sesselträgerordnung für den Sesselmeister vom 26. Mai
1688 Aufschluss (Quellenanhang 5.2):
Waßmassen sich der yber die nunangerichte Tragsessl, und selbige Trager, aufgestelte Mais-
ter namens Christoph Wegerle in seiner Diensts Verrichtungen zuverhalten.71
Bestimmt war die Instruktion für den Sesselmeister Christoph Wegerle, der für die neu
eingerichteten Tragsessel und die Sesselträger zuständig war. Standort der Miettragsessel
war der Münchner Schrannenplatz, der heutige Marienplatz, an der Ecke zur Dienergasse.
69 BHStA, HR I. Fasz. 47, Nr. 61 (3): Hofsesselträger. Die umfangreiche Akte zum 17./18. Jahrhun-
dert enthält auch Schriftverkehr zur Witwenpension verstorbener Sesselträger.
70 Anton Machomet wurde am 1. Januar 1688 als Eselknecht am kurfürstlichen Marstall eingestellt
und verdiente jährlich 76 fl. Siehe: BHStA, Kurbayern Hofzahlamt, Nr. 726, fol. 158v.
71 BSB, Cod.germ.2093: „Instruction wie sich der Sesselmaister zuverhalten“.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Titel
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Untertitel
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Autor
- Mario Döberl
- Herausgeber
- Alejandro López Álvarez
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918