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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
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Französische Tragsessel des späten 17 und frühen 18 Jahrhunderts 349 Der für eine hochrangige Person bestimmte Tragsessel wurde zweifellos bei einer der damals besten Pariser Werkstätten in Auftrag gegeben, möglicherweise bei Saillot (Sattler) und Lepape (Tischler), beide Lieferanten des Hofes von Versailles, die auch für die Hoch- zeit des Kurfürsten Maximilian II. Emanuel von Bayern im Jahr 1685 einen Tragsessel her- gestellt hatten, der sich heute im Marstallmuseum Schloss Nymphenburg befindet.12 Eine Qualitätsstufe, die mit jener des Exemplars aus dem Petit Palais vergleichbar ist, charakte- risierte wohl auch den 1691 entstandenen Tragsessel der Fürstin von Conti, einer uneheli- chen Tochter Ludwigs XIV. Für dieses heute nicht mehr erhaltene Tragevehikel erhielt der Maler Jean Lemoyne mit 1000 livres den höchsten Teilbetrag der gesamten Herstellungs- kosten. Der Dekor dieses Vehikels wies ganz offensichtlich Parallelen zum Tragsessel des Petit Palais auf: Minerve assise dans son trosne tenant les armes de Madame la princesse de Conty, accom- pagnée d’enfants, de termes, de festons de fleurs, de grotesques et mosaïques, le tout peint de colory sur fond d’or.13 Der Entwurf für diesen Tragsessel stammte von Jean Bérain (1640–1711), einem der re- nommiertesten Ornamentkünstler seiner Zeit. Bérain wurde 1674 als „dessinateur de la Chambre et du Cabinet du Roi“ an den Hof Ludwigs XIV. berufen und war in diesem Amt mit verschiedensten Aufgaben betraut, etwa mit der Gestaltung von Opern, Festen und Bestattungsfeierlichkeiten, mit Goldschmiedearbeiten, Modellen für Wandverkleidungen und Deckenausstattungen, mit Gartenarchitektur, dem Dekor königlicher Schiffe oder mit Tapisseriekartons. Unter seinen Entwürfen finden sich unter anderem Rück- und Sei- tenansichten eines Tragsessels sowie Modelle für Hofwagen. Bérains Entwürfe, die auch unter der Bezeichnung „Bérinades“ bekannt sind, spielen mit der rhythmischen Gliede- rung von Architektur, mit Fragen der Symmetrie und mit dem Gleichgewicht zwischen 12 Zu diesem Tragsessel siehe Rudolf H. Wackernagel (Hg.), Staats- und Galawagen der Wittels- bacher. Kutschen, Schlitten und Sänften aus dem Marstallmuseum Schloß Nymphenburg, 2 Bde. (Stuttgart 2002), Bd. 1, S. 78–81; sowie den Beitrag von Gudrun Szczepanek und Friederike Ul- richs im vorliegenden Band. 13 Jérôme de La Gorce, Berain. Dessinateur du Roi Soleil (Paris 1986), S. 54. Die nächsthöheren Teil- beträge betrafen mit 700 livres die Stickereien und schließlich mit nur 100 livres die Applizierung von vier Schutzschichten über dem Lindenholz sowie die Vergoldung. Für vergleichbare Arbeiten wurden zu jener Zeit fern von Paris wesentlich niedrigere Preise in Rechnung gestellt: Im Jahr 1672 zahlte etwa einer der besten Sattler von Toulouse einem Maler 250 livres für die Arbeiten an einer Karosse. Alain de Beauregard, Parlement de Toulouse. La société parlementaire au Grand Siècle, les expressions profanes de la commande privée (1610–1680 principalement) (ungedr. Dissertation, Universität Toulouse II 2001), S. 748. Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Titel
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Untertitel
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Autor
Mario Döberl
Herausgeber
Alejandro López Álvarez
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20966-9
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorien
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