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366 Marie Maggiani
Waren bis nach Holland und Deutschland exportierte.43 Ob wohl auch der Tragsessel sei-
ner zukünftigen Gemahlin mit Gläsern seiner eigenen Manufaktur ausgestattet war? Wer
es sich leisten konnte, versah seinen Tragsessel mit großen Scheiben, deren Preis von der
Haltbarkeit, Transparenz und dem Grad etwaiger Fehlstellen und Verunreinigungen ab-
hing. Billiger war es, Rahmen mit mehreren rechteckigen Feldern in die Fensteröffnungen
zu integrieren, da auf diese Weise kleinere Gläser eingesetzt werden konnten. So sind etwa
für 1657 Tragsessel „bien et deuement garnyes de leurs chassis a verre“44 dokumentiert. Hier-
bei handelte es sich um Miettragsessel, die in Aix-en-Provence hergestellt und verliehen
wurden.
5 Miettragsessel
Auch wenn es in mancher Hinsicht Vorteile hatte, einen eigenen Tragsessel zu besitzen,
unter anderem, weil darauf das eigene Wappen angebracht werden konnte,45 stand es doch
auch jedermann frei, öffentliche Tragsessel zu mieten. Derartige Miettragsessel existier-
ten in Paris offiziell seit dem 22. Oktober 1617. Damals erhielten drei Personen, die sich
zu diesem Zweck zusammengeschlossen hatten, nämlich der Fabrikant Jean Douet, der
Finanzier Jean Regnault d’Ezanville sowie der Kapitän der königlichen Leibgarde Pierre
Petit, für den Zeitraum von zehn Jahren das Privileg, in Paris, in dessen Vororten und
auch in den übrigen Teilen des Königreichs Tragsessel zu unterhalten, „pour faire porter des
rues à autres ceux ou celles qui désireroient s’y faire porter“. Einige Zeit nach Auslaufen dieses
Privilegs, im Jahr 1639, erhielten ein gewisser Cavoy, Kapitän der Musketiere, und dessen
Geschäftspartner Marquis de Montbrun, der geschlossene Tragsessel aus England einge-
führt hatte, dieses Sonderrecht bis zum Jahr 1679 verliehen.46 Insgesamt wurde das Privileg
zweimal zugunsten Cavoys beziehungsweise dessen Nachkommen für einen Zeitraum von
jeweils vierzig Jahren verlängert.47 Die Vermietung von Tragsesseln scheint ein profitabler
43 Pris 1975 (wie Anm. 41), S. 784.
44 Jean Boyer, Evocation du Vieil Aix. In: Courrier d‘Aix, Nr. 1795–1797, 7. und 21. April 1979. Be-
dauerlicherweise gibt der Autor den Standort der von ihm verwendeten archivalischen Quellen
nicht bekannt.
45 „[…] ce qui est plus propre et ce qui représente l’avantage de pouvoir y faire peindre ses armes […]“. Les
Lois de la galanterie (wie Anm. 16, Ausgabe Paris 1658).
46 Gédéon Tallemant des Réaux, Les historiettes: mémoires pour servir à l’histoire du 17ème siècle,
Bd. 7 (Paris 21840), S. 102. Die persönlichen Erinnerungen des Autors blieben für lange Zeit un-
publiziert und wurden erst 1834 zum ersten Mal veröffentlicht.
47 Die drei Abkommen stammen aus den Jahren 1639, 1679 und 1719. Delamare 1738 (wie Anm. 5),
Bd. 4, Kapitel 2, Abschnitt 3, S. 449: „Du privilège des chaises portées à bras et des porteurs de chaises“.
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Titel
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Untertitel
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Autor
- Mario Döberl
- Herausgeber
- Alejandro López Álvarez
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918