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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Seite - 377 -
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Résumé 377 trachter mittels einer aufklappbaren Papierlasche geöffnet werden kann, veranschaulichen in trefflicher Weise den ambivalenten Charakter von Tragsesseln. Sie boten den Insassen einerseits die Möglichkeit, mit Hilfe eines prachtvollen Vehikels den eigenen sozialen Sta- tus zur Schau zu stellen, waren aber andererseits mit geschlossenen Vorhängen auch Rück- zugsorte, die es Passagieren erlaubten, sich unwillkommenen Blicken von Passanten zu entziehen und sich bei Bedarf unerkannt im urbanen Raum zu bewegen. Für die Einführung von Tragsesseln am französischen Hof liegen derzeit bedauerlicher- weise nur bruchstückhafte Nachrichten vor. Allem Anschein nach nahm dieser Prozess aber Mitte des 16. Jahrhunderts seinen Anfang. Weit besser sind wir nunmehr über die entsprechenden Entwicklungen in Spanien informiert. Aus den 1550er Jahren stammen erste Nachrichten über die Verwendung von Tragsesseln durch einen spanischen Monar- chen. Im darauf folgenden Jahrzehnt begannen auch die Königinnen Spaniens diese Trans- portmittel zu verwenden. Relevanz erlangten Tragsessel im Rahmen des Hofzeremoniells jedoch erst Anfang des 17. Jahrhunderts. Im Jahr 1602 wurden die ersten beiden Sessel- träger in den spanischen Hofstaat integriert. Bis 1607 war ihre Zahl bereits auf zwölf an- gewachsen. Dabei ist festzuhalten, dass damals sowohl am Hof als auch in adeligen Kreisen Spaniens Tragsessel vorrangig als Transportmittel für Frauen galten. Griffen männliche Fürsten zu Tragsesseln, so stand dies zunächst meist in Zusammenhang mit körperlichen Gebrechen. Erst allmählich entwickelten sich Tragsessel auch für Männer zum bewusst gewählten Mittel der Repräsentation und Prachtentfaltung. Im Zuge eines gesellschaft- lichen Hierarchisierungsprozesses betrachteten Fürsten und Hofleute Tragsessel vermehrt als adäquates Instrument, um die physische und symbolische Distanzierung der eigenen Person von niederrangigen Vertretern der Gesellschaft zu manifestieren und weiter voran- zutreiben. Wie für kein anderes europäisches Herrschaftsgebiet lässt sich für Spanien die Aus- breitung und Verwendung von Tragsesseln auch im Spiegel gesetzlicher Maßnahmen nachvollziehen. Bereits um 1550 waren auf den Straßen Kastiliens des Öfteren Tragsessel anzutreffen. Zu einer schlagartigen Vermehrung dieser Transportmittel kam es aber erst im Anschluss an eine 1578 in Kastilien erlassene Verordnung, deren Ziel es war, die Ver- wendung von Kutschen auf adelige Schichten zu beschränken. Dies hatte zur Folge, dass zahlreiche Personen, die bis dahin Kutschen benutzt hatten, denen dies nun aber ver- wehrt wurde, auf Tragsessel umstiegen, um sich auch weiterhin im öffentlichen Raum in einem repräsentativen Vehikel zeigen zu können. Als Reaktion auf diese Entwicklung erhoben sich in Parlamentsversammlungen von 1583 und 1585 kritische Stimmen, die die ausufernde Verwendung von Tragsesseln anprangerten. Sie verhallten aber offenbar ohne Konsequenzen, denn in den 1580er und 1590er Jahren kamen Tragsessel in den Städten und Dörfern Kastiliens immer stärker in Mode. Dieses Phänomen blieb damals keines- Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Titel
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Untertitel
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Autor
Mario Döberl
Herausgeber
Alejandro López Álvarez
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20966-9
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorien
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