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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
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388 Mario Döberl Miettragsessel waren in der Regel natürlich weniger aufwendig ausgestattet als Tragses- sel, die sich im Besitz wohlhabender Privatpersonen befanden. Dafür mussten Miettrag- sessel widerstandsfähiger sein und größeren Belastungen standhalten. Nähere Aufschlüsse dazu geben Schriftquellen aus Aix-en-Provence, aus denen unter anderem hervorgeht, welche Hölzer beim Bau von Miettragsesseln eingesetzt wurden. Bei manchen Miettrag- sesseln bestanden nicht nur die konstruktiven Elemente, sondern auch die Wandpaneele des Passagierkastens aus Holz. Um das Gewicht zu verringern, wurde das Gerüst anderer Miettragsessel hingegen mit Malerleinen bespannt. Hinsichtlich des malerischen Dekors von Miettragsesseln gab es – abgesehen von einer obligatorisch anzubringenden Erken- nungsnummer – offenbar keine Vorgaben, was eine große Vielfalt in der Ausgestaltung der Tragevehikel vermuten lässt. Überliefert ist, dass auch renommierte Künstler Dekorations- aufträge erhielten. In Privatsammlungen Frankreichs und Englands haben sich bis heute zwei gleichartige Miettragsessel erhalten, die aus dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts stammen und einst am Hof von Versailles im Einsatz standen. Ihre Bemalung enthält mehrfache Ver- weise auf die französische Monarchie und König Ludwig XIV. Die angebrachten Num- mern lassen darauf schließen, dass neben den beiden erhaltenen Exemplaren noch eine große Zahl identischer Vehikel existierte. Zudem legt die Ausführung ihrer Bemalung die Vermutung nahe, dass diese mit Hilfe von Schablonen in serienmäßiger Herstellung an- gebracht wurde. Wesentlich später als in anderen Teilen Europas kamen Miettragsessel in München und am Kaiserhof in Gebrauch. Eine erste Instruktion für einen Münchner Sesselmeister ist aus dem Jahr 1688 überliefert. Als Standort für seine Miettragsessel wurde damals der Schrannenplatz, heute Marienplatz, festgelegt. Die Instruktion listet verschiedene Regeln für den Sesselmeister auf, unter anderem etwa, wo die Tragsessel, so sie nicht im Dienst stünden, aufzubewahren seien. Die Tragsessel wiesen unterschiedliche Qualitätsstufen auf, wobei die „saubern“ für sozial höherstehende Personen eingesetzt werden sollten. Präzise festgelegt waren auch die Preistarife für einfache Beförderungen sowie für eine stunden- oder tageweise Inanspruchnahme von Miettragsesseln. Selbst der korrekte Umgang mit von Kunden überreichtem Trinkgeld war in der Instruktion genau vorgeschrieben. Der Sesselmeister war auch für die Disziplin und die Verpflegung der ihm unterstehenden Ses- selträger zuständig, wobei aus der Instruktion recht genaue Rückschlüsse auf die Ernäh- rung dieser Dienersparte gezogen werden können. Von besonderem Interesse scheint, dass im Rahmen des Münchner Miettragsessel- systems offenbar zahlreiche Türken als Träger zum Einsatz kamen. Im Zuge der in den 1680er Jahren mit dem Osmanischen Reich ausgetragenen kriegerischen Konflikte ge- langten mehrere Hundert Türken als Gefangene nach München. Von einem Türken, der Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Titel
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Untertitel
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Autor
Mario Döberl
Herausgeber
Alejandro López Álvarez
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20966-9
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorien
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