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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Seite - 389 -
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Résumé 389 1683 bei der Belagerung von Wien in feindliche Hände geriet, ist überliefert, dass er nach seiner Konversion zum Christentum für einige Jahre als Sesselträger am kurfürstlichen Hof diente. Andere Türken wurden hingegen dem Sesselmeister zugeteilt und beförderten Miettragsessel. Auf sie wird in der Instruktion des Sesselmeisters im Besonderen eingegan- gen. So wird darin kritisch erwähnt, dass mehrmals türkische Sesselträger, deren Weg ein Priester mit dem Allerheiligsten kreuzte, diesem nicht nur die angemessene Ehrerbietung verwehrt, sondern sogar über ihn gespottet hätten. In der Instruktion wurden sie deshalb dazu angehalten, sich fortan in Fällen, in denen sie mit leerem Tragsessel einem Priester mit dem Allerheiligsten begegneten, in eine andere Gasse beziehungsweise eine nahe gele- gene Räumlichkeit zurückzuziehen oder aber wie die Christen die Knie zu beugen. Sollten sie aber während der Beförderung eines Passagiers einen Priester mit dem Sakrament an- treffen, so hätten sie in Hinkunft den Tragsessel abzustellen, ihre Kopfbedeckung abzu- nehmen und abzuwarten, bis der Kleriker vorübergegangen sei. Kurze Zeit nach München führte auch Wien im Jahr 1689 ein Miettragsesselsystem ein. Als der Franzose Michel de la Place damals das kaiserliche Privileg erhielt, Tragsessel zu vermieten, stieß er allerdings auf Ablehnung seitens der Stadtverwaltung. Der Wiener Bür- germeister und der Stadtrat hoben in einem Gutachten hervor, dass Personen, die Miet- wagen unterhielten, durch die Einführung von Miettragsesseln finanzielle Einbußen zu befürchten hätten. Außerdem wurde im Gutachten bezweifelt, dass für diese Neuerung in Wien überhaupt die nötige Geschäftsgrundlage vorhanden sei. Kritik wurde zudem an der Herkunft von Michel de la Place laut, da man argwöhnte, er würde vornehmlich Lands- leute beschäftigen, was wiederum Unmut in der Wiener Bevölkerung hervorrufen könnte. Trotz der Widerstände entwickelte sich das Wiener Miettragsesselsystem wie auch jenes anderer Städte Europas mit Erfolg. Im Jahr 1703, zu einem Zeitpunkt, als de la Place das ihm erteilte Privileg offenbar schon wieder verloren hatte, bekam der kaiserliche Kammer- diener Heinrich Ernst Rauchmüller das Sonderrecht zugesprochen, zeitlebens ein Miet- tragsesselsystem in Wien zu unterhalten. Die lokalen Behörden sahen sich damals offenbar immer noch gezwungen, die Existenz von Miettragsesseln zu rechtfertigen. Sie führten mehrere Gründe für deren Sinnhaftigkeit an: Miettragsessel würden hohe Ausgaben für kostspielige Karossen reduzieren, das Straßenpflaster würde durch eine Verminderung von Kutschen geschont und nicht zuletzt stünde den Stadtbewohnern ein zusätzliches, höchst praktisches Verkehrsmittel zur Verfügung. Rauchmüller wurden mit dem Privileg auch unterschiedliche Pflichten auferlegt: So wurde ihm etwa untersagt, Diener und Juden als Kunden zu akzeptieren. Kranke blieben auf Rauchmüllers eigenen Wunsch hin von seiner Dienstleistung ausgeschlossen, vermutlich, um keine gesunden Kunden zu verlieren, die sich vor einer Ansteckung mit einer gefährlichen Krankheit fürchteten. Damit Rauchmül- ler keine überzogenen Preise für die Beförderung im Miettragsessel verlangen konnte, wur- Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Titel
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Untertitel
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Autor
Mario Döberl
Herausgeber
Alejandro López Álvarez
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20966-9
Abmessungen
17.5 x 24.7 cm
Seiten
432
Kategorien
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