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Transdifferenz und Transkulturalität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns 15
und Autoren bedachten Re-Lektüre in Bezug auf Kanonisierungsfragen neue As-
pekte hervor: So kann nicht nur der aufklärerischen und romantischen eine post-
romantische Position, sondern auch der kindheitstheoretischen und tiefenpsycho-
logischen Position eine postkoloniale Lesart hinzugefügt werden (s. Ernst Seibert:
Die periphere Genese der österreichischen Kinder- und Jugendliteratur). In dem ausge-
stellten Befund über die historische deutschsprachige Kinder- und Jugendliteratur
aus Österreich-Ungarn stammen die Autorinnen und Autoren der beliebtesten,
erfolgreichsten und bis heute als Kinderbuchklassiker tradierten Kinderbücher
und Jugendromane (z.B. Emma Adler, Marie von Ebner-Eschenbach, Franz [Fe-
renc] Molnár, Felix Salten, Alois Theodor Sonnleitner oder Hermynia Zur Mühlen)
aus den peripheren Gebieten der Habsburger Monarchie und werfen einen spezi-
fischen sozial differenzierten Blick auf ihre jungen Protagonistinnen und Protago-
nisten.
An den einzelnen Studien wird eines deutlich: Ein literatur- wie kulturwissen-
schaftlicher Fokus auf Literaturen und Kulturen, der das Konzept der Transdiffe-
renz zumindest mitreflektiert, vermag vernachlässigte Aspekte literarischer Wer-
ke, die politische Haltungen ihrer Verfasserinnen und Verfasser sowie ästhetische
Qualitäten konventioneller Genres neu lesbar zu machen und erfordert die kriti-
sche Reflexion beziehungsweise Revision des literarischen Kanons.
3. VielsprachigKeiT und sprachenVielfalT
Die ethnisch-kulturell heterogene beziehungsweise intrasubjektiv transkulturel-
le Herkunft von Autorinnen und Autoren impliziert meist eine Sozialisation in
einem gemischtsprachigen Ambiente und demzufolge auch Mehrsprachigkeit. Die
Bevölkerung der Habsburger Monarchie war aufgrund ihrer Pluriethnizität von
einem hohen Grad an Mehrsprachigkeit gekennzeichnet. Mehrsprachigkeit wurde
deshalb gerade in den großen Institutionen wie Militär, Verwaltung und Bildungs-
einrichtungen zu einem intersubjektiven Problem und damit zu einem öffentlich
viel diskutierten und heiß umstrittenen Thema.
Ein großes heterogenes Sammelbecken stellte die k.u.k. Armee dar, die der
Sprachenvielfalt mit elf beziehungsweise zwölf unterschiedlichen Ausbildungs-
sprachen Rechnung zu tragen versuchte. Die Diskrepanz zwischen offiziellen Zu-
gehörigkeiten zu sprachlich-kulturellen Entitäten und privaten Selbstzeugnissen
lassen eine Situation zutage treten, die für den Einzelnen ein Dilemma zwischen
politischer und persönlicher Loyalität darstellt (s. Tamara Scheer: Konstruktionen
von ethnischer Zugehörigkeit und Loyalität in der k.u.k. Armee der Habsburger Monar-
chie [1868–1914]) und die individuelle Identitätsfrage zu einer prekären Angelegen-
heit macht.
Auch die großen Bildungsstätten der Monarchie, wie etwa die Universitäten,
waren transkulturelle Institutionen. Am Beispiel des ukrainischen Schriftstellers,
Publizisten, Übersetzers und Gelehrten Ivan Franko lässt sich der persönliche
Umgang mit intersubjektiver Transkulturalität aufzeigen. Franko, der als einer der
wichtigsten Persönlichkeiten des ukrainischen Literaturkanons gilt, verfasste sei-
ne Werke in Ukrainisch, Polnisch, Deutsch und Russisch und war als Übersetzer
äußerst aktiv; außerdem teilte er seine schriftstellerische wie wissenschaftliche Tä-
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur