Seite - 16 - in Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
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Alexandra Millner, Katalin
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tigkeit zwischen unterschiedlichen Orten und Sprachen auf (s. Tymofiy Havryliv:
Ein Migrant par excellence: Leben und Werk von Ivan Franko als Beispiel der Multi-
plexität).
Die lange in Vergessenheit geratene Literatur von Autorinnen aus der heutigen
Slovakei, die ihre Werke oft in deutscher Sprache verfassten, rückt unter einem
neuen Gesichtspunkt ins Blickfeld der kulturwissenschaftlich orientierten Litera-
turwissenschaft. Werden die Texte von Karoline Fasser-Schmid, Marie Frischauf-
Pappenheim, Elsa Grailich, Berta Katscher oder Emma Seltenreich auf ihre multi-
kulturellen Einflüsse beziehungsweise auf ihre Transkulturalität befragt, so treten
mehr oder weniger kritisch betriebene Spiele mit nationalen Stereotypen zutage.
Darüber hinaus werden die sozialen Praktiken von Frauen jener Zeit im Umgang
mit transkulturellen Phänomenen reflektiert und dadurch einem nachgeborenen
Lesepublikum greifbar (s. Ingrid Puchalová: »Die Dinge reden im Lichte eine andere
Sprache als im Dunkeln.« Deutschschreibende Autorinnen aus dem Gebiet der heutigen
Slovakei). Durch diese neue Perspektive werden die Texte in den Wahrnehmungs-
bereich der heutigen Rezeption gerückt.
4. KosmopoliTismus und/oder nomadenTum
Die Aufhebung von sprachlichen und nationalen, mitunter auch sozialen Grenzen
konnte in einer Reihe von Aktivitäten im Bereich der Literatur- sowie Theaterpro-
duktion und/oder in der gesellschaftspolitischen Arbeit besonders produktiv ge-
macht werden. Nicht nur die wichtigsten feministischen Organisationen und die
Gruppierungen innerhalb und im Umfeld der Arbeiterbewegung, sondern auch
der Jugend- und Kinderschutz oder die Friedensbewegung profitierten von einem
Fortschrittsdenken, das durch die Mehrfachzugehörigkeiten ihrer wichtigsten Ak-
teurinnen und Akteure geprägt war. Im Rückblick mögen gewisse Versuche als zu
naiv-optimistisch erscheinen, doch ohne Zweifel trugen sie dazu bei, gesellschaft-
liche Ungerechtigkeiten, diskriminierende und reaktionäre Praktiken öffentlich an
den Pranger zu stellen und Alternativmodelle anzubieten.
Die unterschiedlichen Kanäle der Öffentlichkeitsmobilisierung im Zeichen
einer aufgeklärten und offenen Gesellschaft lassen sich beispielsweise anhand der
Laufbahn von Berta Katscher identifizieren: Die Autorin, selber zweisprachig und
in mehreren Städten der Monarchie zu Hause, engagierte sich gemeinsam mit Ber-
tha von Suttner in der Friedensbewegung, in der Arbeit für Frauenemanzipation,
im Jugendschutz u.v.m. Neben programmatischen Schriften setzte sie aber vorwie-
gend auf leicht konsumierbare literarische Verarbeitungen, auf eine jugendgerecht
didaktisierte Präsentation ihrer Kernthemen, die in ihrer ästhetischen Qualität
zwar zweifelhaft, in ihrer Publikumswirksamkeit jedoch nicht zu hinterfragen wa-
ren (s. Susanne Blumesberger: Berta Katscher. Einblicke in ihr Leben und Schreiben).
Was an dieser Karriere zusätzlich bemerkenswert ist, ist eine mehrfache Identitäts-
mimikry (durch die Verwendung von Pseudonymen und die Zusammenarbeit mit
dem Ehemann, die mal verborgen bleibt, mal explizit wird) – ein Hinweis einerseits
auf eine souveräne und spielerische Handhabung der beweglichen schriftstelleri-
schen Identität, andererseits aber auch ein Zeichen des Zwanges, die männlich
dominierten Netzwerke des zeitgenössischen Literaturbetriebs zu bedienen.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur