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Alexandra Millner, Katalin
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in Dienst genommen, an der sich krasse, ohne Übergänge gedachte Grenzziehun-
gen ebenso veranschaulichen und literarisch entfalten lassen wie deren hinfälliger
Charakter. Die vom Fluss getragenen und durch ihn auch symbolisch gebündelten
geografischen, ethnischen, sozialen und politisch-ideologischen Schranken konn-
ten zwar sichtbar gemacht, doch immer wieder auch zugunsten eines verklärend-
sentimentalen, um die weiblichen Figuren entfalteten Diskurses neutralisiert wer-
den (s. Edit Király: ›Zu Nixe‹ werden. Faszination der Donau in Werken von Marie
Eugenie delle Grazie).
Die Hartnäckigkeit von reiseliterarischen Genretraditionen und die Orientie-
rung an einem Massenpublikum erweisen sich als Dominante der Reiseliteratur
und Reiseberichterstattung der Zeit, die v.a. einem ethnokulturell stereotypisier-
ten, hegemonial gefärbten und die Geschlechtsdifferenzen aufrechterhaltenden
Diskurs Vorschub leistete.
7. nachhall des KaKanischen
Auch nach dem Zerfall der Monarchie wirken jene Themen und Aspekte, die auf
die Multiethnizität und Multilingualität sowie auf inter- wie intrasubjektive Trans-
kulturalität referieren, in der literarischen Produktion nach: Anhand der Re-Lektü-
re von literarischen Werken, welche auf kulturelle Leitdifferenzen und deren Unter-
minierung achtet, werden latente gesellschaftskritische Dimensionen zugänglich.
George Saikos Roman Auf dem Floß, seit den 1920er Jahren und hauptsächlich
Ende der 1940er Jahren verfasst und 1954 erschienen, kann als leicht verzögerte
literarische Begleitung des Verfalls der Monarchie gelesen werden. Auffällig ist die
Darstellung dieses politischen Untergangs anhand von sozialen Psychodramen, die
sich zwischen den Protagonistinnen und Protagonisten entspinnen und kulturelle
Ordnungsmuster unterlaufen und somit in Frage stellen. Die Macht des Vergange-
nen ist gebrochen, ihre Reste dauern jedoch als fremd empfundene Einsprengsel
fort (s. Hans Richard Brittnacher: Der tote Fetisch. Die Macht der Vergangenheit in
George Saikos Auf dem Floß). Dieser Befund ist als Kommentar zur lange aufrecht-
erhaltenen These vom habsburgischen Mythos nach Claudio Magris lesbar.
Zum anderen lässt sich in den multiethnischen Grenzgebieten der ehemaligen
Monarchie eine größere Offenheit für Alteritäten feststellen, wie sie sich etwa in
der Durchsetzung einer offenen Psychiatrie durch Franco Basaglia in Triest offen-
bart. Die Romane Tema na Pomolu (1995) von Dušan Jelinčič, Ballando con Cecilia
(2000) von Pino Roveredo und Das verschmutzte Denken (2014) von Ingram Har-
tinger zeigen eine retrospektive Sichtweise dieses Themas, die vom slovenischen,
italienischen und deutsch-österreichischen Kulturraum aus eingenommen wird.
Damit wird eine diachrone wie synchrone soziale Differenzierung eines bis heute
virulenten Themas literarisch reflektiert (s. Maren Ahlzweig: Identität und Alterität
im transkulturellen Raum: das Beispiel Triest).
Die Lektüre der hier versammelten und den Transdifferenzbegriff schärfenden
Beiträge verspricht eine Reise in einen fernen Raum und in eine ferne Zeit, in
der heutige Selbstverständlichkeiten – wie die Möglichkeit, physisch wie sozial
Grenzen zu überschreiten, auf Grundwerte der Demokratie zu pochen, Toleranz
gegenüber dem Anderen zu üben, den ewigen Kriegshändeln Friedensideen ent-
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur