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Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
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Transdifferenz 41 tät und Anerkennung48 wird dabei ins Negative gekehrt und als Gleichsetzung von Identitäts- und Kulturkonflikt inszeniert. Axel Honneth unterscheidet in seiner Studie zur Anerkennungsforschung drei Muster sozialer Anerkennung: nämlich Liebe, rechtliche Anerkennung und Solidarität.49 Sowohl Liese als auch die Ich-Erzählerin werden in ihrem transdifferenten Ver- halten von Liebe beziehungsweise freundschaftlicher Zuneigung geleitet. Lieses Konversion wird nach den Regeln des jüdischen Glaubens anerkannt. Solidarität erfährt sie schließlich von der geläuterten jungen Schauspielerkollegin und Freun- din. Legt man dieses Schema über die Erzählung Die Zigeunerin von delle Grazie, so wird zuerst eine Stimmung der Anerkennung aufgebaut: Die Liebe zwischen der jungen ›Zigeunerin‹ Dora und dem Richtersohn László scheint alle sozialen Grenz- ziehungen zu überwinden: Dem Zigeunerstamm wird entgegen der gesetzlichen Vorschriften ein langes Aufenthaltsrecht zugestanden, und man zeigt sich allge- mein bemüht, den Bedürfnissen der Gäste Rechnung zu tragen beziehungsweise diese zu akzeptieren. Dies wird aber nur so lange gewährt, als sich daraus keine nachhaltigen Veränderungen in der hegemonialen Gesellschaft ergeben. Als Dora, die nach Zigeunersitte Lászlós erklärte Frau ist, schwanger ist und auf ihr Recht auf Anerkennung pocht, kippt die Erzählung in eine Geschichte fortgesetzter Missachtungen und Exklusionen: in Form von Abwertung (Ignoranz ihres Stand- punkts), physischer Misshandlung (Rauswurf) sowie Entrechtung (Inhaftierung). Während diese Grenzüberschreitung der beiden Liebenden in eine Katastro- phe mündet, findet sie in Ada Christens Erzählung Rahel ein gutes Ende: Die jun- ge christliche Wanderschauspielerin Liese konvertiert zum Judentum, um ihren Geliebten Rafael heiraten zu können. Neben ihrer Konfession gibt sie auch ihren Beruf, ihren Wohnort und ihr soziales Umfeld auf. Ihre Liebe kann damit in Er- füllung gehen. Warum? Der Unterschied zur Geschichte von delle Grazie besteht darin, dass die Protagonistin von der Zugehörigkeit zur hegemonialen Ordnung, die sich in der Religion, Region und finanziellen Unabhängigkeit widerspiegelt, in eine subalterne Position wechselt, die sich auf beinahe alle erwähnten sozialen Kategorien auswirkt. Es kommt einem Ausstieg aus einer konsolidierten sozialen Zugehörigkeit gleich, während László dazu nicht bereit ist und Dora mit ihrem physischen Vor- dringen in die hegemoniale Sphäre einer christlichen Ehezeremonie, in der sich Kirche, Recht und Staat gleichermaßen repräsentiert finden, eine Bedrohung für die hegemoniale Ordnung darstellt: Denn auf moralischer Ebene macht sie auf die Ehrlosigkeit des Bräutigams und der Richterfamilie insgesamt aufmerksam, auf die Bigotterie der Kirche, die doppelte Sexualmoral der Gesellschaft und die Unter- drückung ethnischer Minoritäten, Armer und Frauen. Alle drei Zugehörigkeiten sind in der Figur der jungen Zigeunerin Dora in negativer Verstärkung gebündelt. Somit sind sich alle darüber einig, dass ihre Stimme zum Schweigen gebracht wer- 48 | Die Figur der Anerkennung geht auf Hegel zurück. Er konzipiert darin den Anderen als paradoxe Bedingung und Gefährdung des Selbst zugleich. Vgl. Ricken, Norbert/Balzer, Ni- cole: Differenz: Verschiedenheit – Andersheit – Fremdheit. In: Straub/Weidemann/Weide- mann (Hg.): Handbuch interkulturelle Kommunikation und Kompetenz, S. 56-69, hier S. 62. 49 | Vgl. Honneth, Axel: Integrität und Missachtung. Grundmotive einer Moral der Anerken- nung. In: Merkur 44 (1990) 501, S. 1043-1054.
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Transdifferenz und Transkulturalität Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Titel
Transdifferenz und Transkulturalität
Untertitel
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Autoren
Alexandra Millner
Katalin Teller
Verlag
transcript Verlag
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-3248-8
Abmessungen
15.4 x 23.9 cm
Seiten
454
Schlagwörter
transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
Kategorie
Kunst und Kultur
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