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Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
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Christoph Leitgeb52 Es braucht uns dabei nicht zu stören, daß die Dauerspuren der empfangenen Aufzeichnun- gen beim Wunderblock nicht verwertet werden; es genügt, daß sie vorhanden sind.7 Jacques Derrida8 hat an diesem Text herausgearbeitet, dass Freud seine psychoana- lytische Theorie an Vorstellungen von Schrift koppelt. Von Freud vordergründig als Modell für die Struktur der individuellen Psyche geprägt, wird das Palimpsest von Derrida mit Sprachkonzepten der »Bahnung« und der »Spur« assoziiert: Auch im Rahmen des kulturellen Gedächtnisses setzt jede Äußerung frühere Äußerun- gen fort und bezieht sich zugleich durch Differenz auf die Erinnerung an sie. Jede Äußerung eines individuellen Sprachgebrauchs lässt sich also im Akt analytischer Lektüre im Hinblick auf ihre Spur dekonstruieren. Das Konzept der Transdifferenz setzt nun weniger auf Derridas Methodik der Dekonstruktion, um ›Spuren lesbar zu machen‹; stattdessen betont es noch stär- ker die prinzipielle Mehrdeutigkeit von Zeichen, welche Elemente einer notwendig hybriden Kultur sind.9 Die Metapher des Palimpsests wird dabei noch weiter ver- schoben: aus dem Bereich einer psychoanalytischen Theorie, die das individuelle Gedächtnis als Gegenstand hat, in den eines kulturell institutionalisierten Ge- dächtnisses. Zeichen werden ganz unabhängig von der gesellschaftlichen Durch- setzung einzelner, hegemonialer Interpretationen bei ihren Benutzerinnen und Benutzern immer von einem Raum anderer Bedeutungsmöglichkeiten begleitet. Gerade dadurch wird ein zentraler Aspekt von Freuds Theorie allerdings im Konzept der Transdifferenz wieder stärker aufgegriffen als etwa von Derrida: Die Behauptung eines Raums transdifferenter Möglichkeiten unterstellt nämlich, dass die von Derrida so genannte »Spur« prinzipiell erhalten bleibt und nicht vergeht. Bestimmte Realitätshypostasierungen löschen die von ihnen ausgeschlossenen kulturellen Möglichkeiten nicht vollständig »aus«, sondern »überschreiben« sie nur. Der allgemeine »Möglichkeitsraum« der Kulturen steht dichotomisch einem von hegemonialen Interpretationen etablierten »Wirklichkeitsraum« entgegen. Diese innerhalb der metaphorischen Logik keineswegs vorausgesetzte Interpre- tation des Palimpsests10 setzt einen Unterschied zwischen psychoanalytischer und kulturwissenschaftlicher Gedächtnistheorie außer Kraft, den Jan Assmann kurz so konstatiert: Anders als die Psychoanalyse behaupte Kulturtheorie nicht empha- 7 | Freud, Sigmund: Notiz über den »Wunderblock«. In: ders.: Studienausgabe. Bd. III: Psy- chologie des Unbewußten. Frankfurt a.M.: Fischer 1975, S. 363-369; s. auch www.textlog. de/freud-psychoanalyse-notiz-wunderblock.html (zuletzt eingesehen am 3.5.2015). 8 | Vgl. Derrida, Jacques: Freud und der Schauplatz der Schrift. In: ders.: Die Schrift und die Differenz. Übers. v. Rodolphe Gasché. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1976, S. 302-350, hier v.a. S. 337-350. 9 | Der Inhalt des kulturellen Gedächtnisses reduziert sich dieser Auffassung nach tenden- ziell auf eine »Semantik«. Vgl. Lösch: Transdifferenz, S. 37: »Die Konstruktion einer diaspori- schen Identität erfolgt damit – vereinfachend gesprochen – in einem Triangulierungsvorgang zwischen einem durch die kulturelle Semantik der Herkunftskultur ›kontaminierten‹ Ver- ständnis der Aufnahmekultur einerseits und einer durch die kulturelle Semantik der Aufnah- mekultur ›kontaminierten‹ Rekonstruktion der Herkunftskultur andererseits.« 10 | Die Metapher an sich setzt keineswegs prinzipiell die Lesbarkeit aller, sondern nur eini- ger aufgezeichneter Gedächtnisspuren voraus.
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Transdifferenz und Transkulturalität Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Titel
Transdifferenz und Transkulturalität
Untertitel
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Autoren
Alexandra Millner
Katalin Teller
Verlag
transcript Verlag
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-3248-8
Abmessungen
15.4 x 23.9 cm
Seiten
454
Schlagwörter
transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
Kategorie
Kunst und Kultur
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