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Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
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Christoph Leitgeb62 Diese Zusammenfassung kommt von einem Kommentator, der wie Lacan im Code der Hysterie Anna O.s den Schauspielcharakter betont. Zugleich räumt er ein, dass es Pappenheim als Patientin wahrscheinlich unmöglich gewesen wäre, nicht zugleich die verkörperte Figur im aufgeführten Stück gewesen zu sein. »In dem Wortspiel von ›Hysterie‹ und ›Historie‹ liegt eine Wahrheit: […] Die Hysterie tritt auf, wenn ein Subjekt damit beginnt, seine symbolische Ordnung zu hinterfra- gen oder sich in ihr unwohl zu fühlen […]. Das Problem für den Hysteriker besteht darin, wie er das, was er ist (sein wahres Begehren), von dem unterscheiden soll, was die anderen in ihm sehen oder begehren.«45 Unleugbar weist aber auch die ›wissenschaftliche‹ Aneignung des Falles durch Breuer in den Studien über Hysterie, also im Nachhinein, Züge der aggressiven Dis- tanzierung von seiner persönlichen Geschichte, v.a. aber von der seiner Patientin auf: Soviel nicht uninteressanter Einzelheiten ich auch unterdrückt habe, ist doch die Kranken- geschichte der Anna O. […] umfangreicher geworden, als eine an sich nicht ungewöhnliche hysterische Erkrankung zu verdienen scheint. Aber die Darstellung des Falles war unmög- lich ohne Eingehen ins Detail, und die Eigentümlichkeiten desselben scheinen mir von einer Wichtigkeit, welche das ausführliche Referat entschuldigen dürfte. Auch die Echinoderme- neier sind für die Embryologie nicht deshalb so wichtig, weil etwa der Seeigel ein besonders interessantes Tier wäre, sondern weil ihr Protoplasma durchsichtig ist und man aus dem, was man an ihnen sehen kann, auf das schließt, was an den Eiern mit trübem Plasma auch vorgehen dürfte.46 Die angebliche oder wirkliche Affäre Breuers mit seiner Patientin hatte nach unter- schiedlichen, mehr oder weniger glaubwürdigen Zeugnissen (v.a. von Freud) einen Selbstmordversuch der Frau Breuers und eine Scheinschwangerschaft Anna O.s zur Folge.47 Wahrscheinlich führte sie dazu, dass Breuer die Behandlung erfolglos abbrach. Als er den erbärmlichen Zustand seiner Patientin im Krankenhaus sah, wünschte er sich, sie wäre tot.48 Kritiker der Psychoanalyse haben das als Wunsch ihrer Gründungsväter interpretiert, sich von einer möglichen Kronzeugin des Be- trugs um ihre zukünftige Erfolgsgeschichte befreit zu wissen. Pappenheim, lange nach dem Abbruch der Behandlung durch Breuer genesen, wurde später als Feministin, Sozialarbeiterin und selbstbewusste Jüdin bekannt. Sie wollte sich direkt zu ihrer psychoanalytischen Therapie nicht mehr äußern. Sie 45 | Žižek, Slavoj: Lacan. Frankfurt a.M.: Fischer 2013, S. 51f. 46 | Breuer/Freud: Studien über Hysterie, S. 61. 47 | Vgl. dazu Jones, Ernest: Sigmund Freud: Leben und Werk. Bd. 1: Die Entwicklung der Persönlichkeit und die großen Entdeckungen 1856–1900 [1953]. Übers. v. Katherine Jones. München: dtv 1984, S. 268. Paradoxerweise sind einzelne Briefe Freuds, in denen er diese Vorkommnisse unterstellt, nicht im deutschen Original, sondern nur in der deutschen Rück- übersetzung aus der englischen Übersetzung von Jones zugänglich. Wie in der Hysterie von Anna O. entsteht also auch in der Beschreibung ihrer Behandlung ein englisch-deutsches Palimpsest. 48 | Forrester, John: The True Story of Anna O. In: Social Research 53/2 (1986), S. 327-347, hier S. 341.
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Transdifferenz und Transkulturalität Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Titel
Transdifferenz und Transkulturalität
Untertitel
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Autoren
Alexandra Millner
Katalin Teller
Verlag
transcript Verlag
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-3248-8
Abmessungen
15.4 x 23.9 cm
Seiten
454
Schlagwörter
transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
Kategorie
Kunst und Kultur
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