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Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Seite - 89 -
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Von Unkraut und Palimpsesten 89 Verlorengeglaubten wieder festhielt […]« (DWn, S.  153). Das Glück, wieder zusam- menzusein, kann eben auch nicht einfach leise daherkommen, es löst eine erneute Krise aus, und erst dann folgt eine emotional ruhigere Zeit. Nach dem Verrückt- Werden durch die durch den Krieg ausgelöste Trennung der beiden, ist das Zu- sammenkommen eben auch schmerzhaft. Man mag das überspannt finden, und Ebner-Eschbach hat das sicher so empfunden, aber es passt zu der geistigen Bezie- hung der beiden, die Martha so im vorausgehenden »Zweiten Buch« ausführlich beschrieben hat. In der dritten Passage, die hier analysiert werden soll, befindet sich Martha auf dem Schlachtfeld von Königgrätz (1886) (»Viertes Buch«). Sie hat sich entgegen dem Rat ihres Vaters und ihrer Freundinnen und Freunde dorthin aufgemacht, um Friedrich zu suchen, dessen Ruf nach ihr sie zu hören vermeint, um ihm und ande- ren Verletzten persönlich eine Verbandskiste zu bringen. Sie erreicht das Schlacht- feld einen Tag nach der Schlacht, d.h., es wird nicht mehr gekämpft, sondern nur noch gelitten und gestorben. Was sie sieht und hört, führt sofort dazu, dass sie während der Tage in dieser Umgebung meistens kaum bei Sinnen ist, und wenn doch, muss sie sich auf Dr. Bresser, ihren Hausarzt, stützen, der auch auf dem Feld ist. Sie erscheint hier wirklich schwach und fehl am Platz, und das, so könnte man meinen, würde ihre Autorität untergraben. Allerdings hat sie Gewährsleute dafür, dass auch ein starker Mann auf diesem Schlachtfeld den Mut verlieren kann. Neben ihrem Tagebuch dienen ihr hier auch Beobachtungen und Briefe von Ärz- ten einschließlich des Regimentsarztes, also von männlichen Personen, und damit untermauert sie die Validität ihrer eigenen Reaktion. Die Erzählerin führt die Berichte der Männer so ein: »Nicht nur mein eigenes Gedächtnis will ich anstrengen, um das Beabsichtigte erzählen zu können – meine Auffassungskraft reichte an die Wucht der Geschehnisse gar nicht heran –, ich werde noch hinzufügen, was andere Zeugen jener Szenen – was Frau Simon, Dok- tor Brauer und der sächsische Feldhospital-Kommandant, Dr. Naundorff, berichtet haben.« (DWn, S.  255.) Diese Berichte sind anscheinend Briefe, so dass man davon ausgehen muss, dass sich die Autorin selbst durch Korrespondenz einen Überblick über diese Schlacht verschafft haben muss und diese jetzt in ihre Lebenserinne- rungen einmontiert (vgl. DWn, S.  256). Sie macht hier eine Gebärde der Unterwür- figkeit, indem sie ›mangelnde Auffassungskraft‹ zugibt (oder vortäuscht?), aber dies ist eher subversiv gemeint, denn es wurde ja erwartet, dass eine Frau so eine Schlacht gar nicht auffassen kann, und durch die Unterwerfungsgeste verbunden mit Zeugnissen, die bei der Leserin oder beim Leser von vornherein Autorität be- sitzen, vermeidet sie diese Kritik. Dazu kommt, dass sogar einer der männlichen Berichterstatter, Dr. Brauer, die Nerven und den Mut verliert: »Hier war es, wo ich […] so vom Schmerz überwäl- tigt wurde, daß ich eine Stunde lang die heißesten Tränen vergoß und mich trotz des Aufwandes meiner ganzen moralischen Kraft kaum zu fassen vermochte. […] Hier in Roßnitz war es, wo ich am zweiten Tage […] den Mut verlor und zu verbinden aufhörte.« (DWn, S.  256.) Diesen Gefühlen von Dr. Brauer folgt ein Zitat aus Dr. Naundorffs Brief: »In welchem Zustand waren diese 600 Männer (diesmal spricht Dr. Naundorff). Es ist unmöglich, dies mit Wahrheit zu schildern.« (Ebd.) Diese Verwebung von Eigenem und Anderem erhöht die Authentizität wie auch die Autorität der Erzählerin: Nicht nur müssen die beiden Ärzte Martha als Briefpartnerin ernstgenommen haben, um ihr solche »Wahrheiten« überhaupt an-
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Transdifferenz und Transkulturalität Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Titel
Transdifferenz und Transkulturalität
Untertitel
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Autoren
Alexandra Millner
Katalin Teller
Verlag
transcript Verlag
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-3248-8
Abmessungen
15.4 x 23.9 cm
Seiten
454
Schlagwörter
transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
Kategorie
Kunst und Kultur
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