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Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
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»Emma« alias »Emanuel« 101 auch in der Lage, die eigene Rolle zu reflektieren. Im eigens für die eroberte Stadt Wien veranstalteten Opern-Spektakel Czar und Czarina bringt sie die Allegorie und zugleich die Travestie ihres eigenen Habitus zum Vorschein: Madame Saßa hatte in ihrem großen Reiche ein Frauenzimmer entdeckt, welches eine voll- endete Baßstimme hatte, und dazu einen Mann mit dem herrlichsten Frauensopran. So sang also die Czarina, die Primadonna, die tiefe Stimme und spielte dazu ihre in mannhaftem Charakter gehaltene Frauenrolle, der Primo amoroso aber sang die hohe Damenpartie in der Rolle des schwächlichen Czaren Peter. Das war ein so bizarrer Einfall, wie ihn keine andere Bühne der Welt nachzumachen im Stande ist. (Bd. II, S. 14) Dennoch kann Saßa auch als verführerische und kokette Frau auftreten, die »mit die- sem lachenden Gesichte allen Grimm und alle Furcht auf einen Schlag verscheuch- te« (Bd. II, S.  6). Denn ihre Stärke erschöpft sich nicht im Äußer(lich)en. Sie liegt vielmehr in einer strategischen Wandelbarkeit, deren Erfolg nur die Hauptfigur des Romans, der erfinderische David Tatrányi, ein »Ungar aus dem Széklerlande« (Bd. I, S.  76), ein Ende bereitet. Dass bei Jókais ›starken Frauen‹ das augenschein- liche ›Weibliche‹ und ›Männliche‹ eigentlich vordergründig ist und es auf den Rollenwechsel als Aushebung der geschlechtlichen Differenz ankommt, bezeugen zahlreiche weitere, durch ihre Schönheit faszinierende Frauenfiguren, deren Cha- raktere sich den Klischees und den Figuren- beziehungsweise Leseerwartungen entziehen. (Deren bekannteste ist vielleicht Frau Korponay, die schöne Juliánna Ghéczy im historischen Roman Die weiße Frau von Löcse [1885; A lőcsei fehér asszo- ny, 1884], deren Geschichte die nationale Geschichtsschreibung ›gendert‹ und den Rollenwechsel bis hin zur Urteilsbildung der Erzählerinstanz radikalisiert.9) Auch auf diese Fragestellung trifft also zu, was István Margócsy mit Bezug auf Jókais Charakterschilderungen – und in deutlicher Absetzung vom früheren Jókai-Bild – behauptet, nämlich dass sich die Romanfiguren des Autors »nie mit homogenen Kategorien charakterisieren oder beschreiben lassen«10 und sich entgegen aller in- tra- und extratextuellen Erwartungen verwirklichen. 2. doppelleben Man kann festhalten, dass Jókai die Geschlechterdifferenzen in seinen Figuren auch zu nutzen weiß, indem er die Klischees von Männlichkeit und Weiblichkeit moduliert und die Relationen von sex und gender figural und individuell einrichtet. Und das Verfahren kann auch mit einem anderen Mittel der Handlungsgestaltung, mit dem Doppelleben von Figuren, korrelieren, das sowohl episodisch aufkommen als auch ganze Werke strukturieren kann. Episodisch, wenngleich als Lebensepi- sode einer Hauptfigur, führt uns der Erzähler des Romans Die Kleinkönige (1886; 9 | Jókai, Maurus: Die weiße Frau von Löcse. Historischer Roman. Übers. v. Georg Harmat. Leipzig/Weimar: Kiepenhauer 1985. Hierzu siehe weiter unten. 10 | Margócsy, István: Kalandorok és szirének. Jókai Mór jellemábrázolásáról [Abenteurer und Sirenen. Über Mór Jókais Charakterschilderung]. In: ders.: »…a férfikor nyarában…«. Ta- nulmányok a XIX. és XX. századi magyar irodalomról. Pozsony [Bratislava]: Kalligram 2013, S. 297-330, hier S. 304.
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Transdifferenz und Transkulturalität Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Titel
Transdifferenz und Transkulturalität
Untertitel
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Autoren
Alexandra Millner
Katalin Teller
Verlag
transcript Verlag
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-3248-8
Abmessungen
15.4 x 23.9 cm
Seiten
454
Schlagwörter
transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
Kategorie
Kunst und Kultur
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