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Magdolna
Orosz120
Und scheer mich gar nicht um die Welt
Und nicht um dies und das – […]
[…] die Eh’ hat manchen Spaß,
Sie bringt uns dies und das,
Ja, dies und das und noch etwas […]20
Das dritte Paar – Mirabella und Conte Carnero, die nach langer Trennung wieder
aufeinandertreffen – fungiert eher als ironisch-komisches Gegenstück zu den bei-
den anderen Paaren, da beide Partner ziemlich komisch wirken und damit Tradi-
tionen der Opera buffa und der Commedia dell’arte aufleben lassen.21
Die Rollenzuschreibungen der Figuren widersprechen einander im Zigeuner-
baron nicht grundsätzlich: Soziale Konventionen werden nicht längerfristig oder
endgültig gebrochen, Barinkays und Saffis ›wilde Ehe‹ verliert ihre ›Wildheit‹, Ar-
senas und Ottokars heimliche Beziehung entwickelt sich zu einer geregelten, und
das verspätete Zueinanderfinden von Mirabella und Carnero unterstreicht – wenn
auch in komischer Beleuchtung – die allgemeine Tendenz zum harmonisierenden
(auf dieser Interpretationsebene als privat verstandenen) Ausgleich.
2.1.2 Unkonventionell konventionell:
ambivalente Brechung traditioneller Rollenzuschreibungen
Franz Lehárs Operette Die lustige Witwe gehört zu den beliebtesten Werken des
Komponisten beziehungsweise der »silbernen Ära« und repräsentiert die »Sa-
lonoperette« beziehungsweise »Tanzoperette«,22 die »politisch und sozialkritisch
agierte« und durch die »gleichsam stellvertretend die Beziehung mancher Operet-
te zur Moderne veranschaulicht werden«23 kann. Die Handlung hat hier ebenfalls
wichtige soziale und politische Implikationen und fokussiert auf der Oberfläche
wiederum auf Liebesgeschichten: Im Zentrum der Ereignisse steht Hanna Glawa-
ri, die reiche Witwe, deren Millionenerbschaft durch eine Heirat fürs »Vaterland«
Pontevedro zu gewinnen wäre. Somit wird auch sie instrumentalisiert, wobei sie
sich durch Vortäuschung von Verarmung nach einer neuerlichen Eheschließung
dem Werben der Männer zu entziehen sucht und so zu ihrem ehemaligen Gelieb-
ten, dem leichtlebigen Diplomaten und Grafen Danilo, der sie immer noch liebt,
zurückfindet.
20 | Ebd., S. 49f.
21 | Das Paar Mirabella–Conte Carnero erinnert zugleich auch an Figaros erst ebenfalls spät
aufeinander treffendes Elternpaar Marcellina–Bartolo in Mozarts Oper Figaros Hochzeit (da-
mit verweist die Operette offenkundig auf ihre Ursprünge).
22 | Vgl. Frey, Stefan: Franz Lehár oder das schlechte Gewissen der leichten Musik. Tübin-
gen: Niemeyer 1995, S. 25. Lehár wird »als Produkt einer Epoche […], [a]ls Komponist an
der Schwelle zur Massenkultur« (auch in der von Frey erwähnten Fachliteratur) eine »zentrale
Bedeutung« beigemessen. Vgl. ebd., S. 2f.
23 | Csáky: Ideologie der Operette und Wiener Moderne, S. 150. Zu einer zusammenfassen-
den Analyse der Salonoperette vgl. auch Rácz, Gabriella: »aus dem Massenbedürfnis gebo-
ren«. Die Salonoperette der Jahrhundertwende. In: Kerekes, Amália u.a. (Hg.): Pop in Prosa.
Erzählte Populärkultur in der deutsch- und ungarischsprachigen Moderne. Frankfurt a.M.:
Peter Lang 2007, S. 73-85.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur