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Stereotypen von Gender und Ethnie in der Operette der k.u.k. Monarchie 125
Aufgrund der in diesem Duett projizierten Idylle lässt sich dieses Paar sowohl mit
Arsena und Ottokar im Zigeunerbaron als auch mit dem von Häuslichkeit träumen-
den Paar Valencienne und Rossilon in der Lustigen Witwe verbinden, doch sind sie
frei von der dort aufrechterhaltenen Frivolität und bleiben in die (illusionäre) länd-
liche Idylle eingebunden.
Das dritte Paar erscheint hier, ähnlich wie im Zigeunerbaron, eher am Rande:
Das Eintreffen der für die Lösung des Konflikts des Paars Mariza–Tassilo drama-
turgisch wichtigen Fürstin Bozena führt zur Wiedererkennungsszene mit dem
Fürsten Populescu, was ebenfalls als komischer Kontrast zum romantisierten Lie-
beskonzept fungiert, aber auch der symbolischen Stärkung oder Festigung der so-
zialen Ordnung dient.
2.2 Politische, nationale und ethnische Projektionen
in den Operetten der Monarchie
Die Operette der k.u.k. Monarchie bietet nicht nur wechselvolle soziale und ge-
schlechtsspezifische Konfigurationen sowie vielfältige Beispiele für ihre Verände-
rungen und Festigungen; sie werden zugleich auch in unterschiedlichen nationalen
und ethnischen Rahmen mit unverkennbaren politischen Akzenten ausgetragen.
So wird der Operette in der neueren kulturwissenschaftlichen Forschung eine »ge-
samtstaatlich-völkerverbindende Funktion durch die Artikulation der ethnischen
und kulturellen Pluralität der Habsburgermonarchie«34 zugeschrieben, die nicht
über die Risse und Brechungen hinwegzutäuschen braucht. Die Krisensymptome
der zentraleuropäischen Region lassen sich auch in den Mehrfachkodierungen35
verschiedener Elemente der Operetten nachweisen. In diesem Zusammenhang
bieten auch die drei hier analysierten Stücke ein interessantes Bild.
Die Zuschreibungen von Fremdheit lassen sich an der Figur beziehungsweise
dem Motiv des ›Zigeuners‹ in mehreren Operetten der Monarchie verfolgen. Der
Zigeunerbaron stellt in dieser Hinsicht einen ziemlich komplexen Fall dar. Schon
die Verschiebungen zwischen der literarischen Vorlage von Jókai und dem Libretto
deuten auf Veränderungen des Verständnisses der nationalen, ethnischen und da-
mit politischen Elemente hin36 und die Operette liefert eine glättende Perspektive
potenzieller Konflikte: Sie »entwirft […], im Gegensatz zu der politischen Realität,
ein durchaus positives, sympathisches Bild von Ungarn«.37 Die Zigeunerinnen und
Zigeuner spielen in dem Augenblick eine wichtige Rolle, als Barinkay zu ihrem
Vorgesetzten wird und sie zur Verteidigung des Landes in den Krieg ziehen. Es
haftet ihnen jedoch auch ein klischeehafter Exotismus an, da sie als zwar fried-
fertiges, aufgrund ihrer geringen Vertrautheit zugleich auch bedrohliches, Volk
wirken können:
34 | Adam, Erik: Die Wiener Operette als magischer Spiegel multikultureller Identität. In:
Ehalt, Hubert Christian/Hochgerner, Josef/Hopf, Wilhelm (Hg.): »Die Wahrheit liegt im Feld«.
Roland Girtler zum 65. Wien: LIT 2006, S. 197-212, hier S. 205.
35 | Vgl. dazu Csáky: Das Gedächtnis der Städte, S. 30.
36 | Zum Vergleich von literarischer Vorlage und Libretto vgl. Orosz/Rácz: »Alles gelungen«,
S. 174f.
37 | Csáky: Ideologie der Operette und Wiener Moderne, S. 79.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur