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Magdolna
Orosz126
Wo Zigeuner Ihr nur hört,
Wo Zigeunerinnen sind,
Mann – gib Acht auf dein Pferd!
Weib – gib Acht auf dein Kind!
Dschingrah – dschingrah – […]
Die Zigeuner sind da, – […]
Flieh’ wie du kannst
Und fürchte den Zigeuner!
Wo er erscheint,
Ist er ein grimmer Feind!
Trian – triandavar
Trian – triandavar,
Flieh’ wie du kannst
Und fürchte den Zigeuner –
Wo er erscheint,
Da – heija! – kommt er als Feind!38
Die exotische Region wird jedoch innerhalb der Monarchie situiert, die Zigeune-
rinnen und Zigeuner, die sich letzten Endes als treue Untertanen der Kaiserin er-
weisen, fungieren als Projektionsfläche eines für die Operette charakteristischen
Binnenexotismus. Die sozialen, kulturellen und ethnischen Differenzen werden
zwar zugespitzt, doch am Ende in einer umfassenden monarchischen Identi-
tät (auf)gelöst. Die Verlagerung der Ereignisse des letzten Akts auf den kaiserli-
chen Hof in Wien unterstreicht die zentralisierende und glättende Perspektive des
Stücks, denn es gibt »weit und breit/Keine Stadt wie die Kaiserstadt, keine so fein
[…]«.39 Auch das ethnisch-kulturell Fremde wird gezähmt (kein Zufall, dass Bar-
inkay, der zeitweilig zum Zigeunerbaron avanciert, früher auch als »Dompteur«
arbeitete), die Zigeuner werden im Finale zu Freunden: »Reich ihm die Hand,/
Vertraue dem Zigeuner, –/Wo er erscheint/Da – heija! – kommt er als Freund!«40
So wird auf dieser Ebene eine Aussöhnung der Gegensätze erreicht; verstärkt wird
sie durch die musikalische Ausrichtung der Operette. Die Musik im Zigeunerba-
ron greift unterschiedliche musikalische Traditionen auf: In ihr werden (in unter-
schiedlicher figuraler Verteilung beziehungsweise Zuschreibung) die als ›österrei-
chisch‹ anmutende Walzermelodie und die oft als ›Zigeunermusik‹ interpretierte
38 | Strauß: Der Zigeunerbaron, S. 16. Banoun stellt diesbezüglich auch fest: »Le message
idéologique l’emporte sur la volonté d’être léger: la périphérie de l’empire se soumet au
centre qu’elle vient revivifier, idée courante et qui devait faire fortune après la première gu-
erre mondiale chez des auteurs nostalgiques de la monarchie des Habsbourg comme Joseph
Roth. Il est caractéristique que les actes I et II se passent en Hongrie, le troisième dans une
Vienne ›mythique‹.« Banoun, Bernard: Une opérette »sérieuse«? A propos du Baron tzigane
(1885) de Johann Strauß fils. In: Austriaca 46 (1988): L’opérette viennoise. Hg. v. Jeanne
Benay, S. 75-86, hier S. 83.
39 | Strauß: Der Zigeunerbaron, S. 48.
40 | Ebd., S. 17. Diese Aussage wird von Saffi schon im 1. Akt, Szene 5, gesungen, dort
ist nur Barinkay ihr Zuhörer, im Finale aber alle Anwesenden – die Aussage bekommt damit
einen besonderen Nachdruck.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur