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Stereotypen von Gender und Ethnie in der Operette der k.u.k. Monarchie 127
Csárdás- und Werbungsmusik miteinander verschmolzen,41 wodurch sie die sym-
bolische Einheitsstiftung symbolisieren. Die Operette spielt damit versteckt auf das
durch den politischen Ausgleich zwischen Ungarn und Österreich im Jahre 1867
herbeigeführte ambivalente Verhältnis der beiden Reichshälften an, wobei das Fi-
nale eindeutig suggeriert, dass Österreich die Vorrangstellung eingeräumt wird.42
Das Zigeunermotiv in Gräfin Mariza lässt sich explizit mit dem Zigeunerbaron
verknüpfen, indem die Figur des von Mariza erst erfundenen, aber zufälligerweise
tatsächlich existierenden Baron Koloman Zsupán – wie dies im Stück auch betont
wird – durch eine familiäre Abstammung mit dem reichen Schweinezüchter Ko-
loman Zsupán verbunden ist (er ist ›Koloman VII.‹) und sogar dessen Metier fort-
setzt. Die Wiederholung der Drei-Paare-Struktur entspricht ebenfalls der Figuren-
struktur im Zigeunerbaron – und hier wie dort kommen auch Zigeunerinnen und
Zigeuner vor: Czipras Rolle verkümmert hier zur Funktion der Wahrsagerin, als
die die Zigeunerin Manja auftritt. Diese bleibt jedoch lediglich eine Randfigur, und
das Zigeunervolk wird nur in der ihr zugeschriebenen Musik der Zigeunerkapelle
eingeblendet:
Komm Czigán, komm Czigán, spiel’ mir ins Ohr!
Komm Czigán, zeig’ heut, was du kannst!
O komm und nimm deine Geige und spiel’ mir was vor,
Spiel’, bis mein Herz vor Freude tanzt!
Ich geb’ dir alles, was du willst,
Wenn du nur schön spielst,
Wenn du meine Freuden, meine Schmerzen mit mir fühlst!
Joi Czigán,
Komm Czigán, komm Czigán, spiel’ mir was vor,
Komm Czigán, spiel’ mir was ins Ohr!43
Die Zigeuner bedienen damit die »ländliche Idylle in Kálmáns Gräfin Mariza«44
und sind Mittel der musikalisch heraufbeschworenen monarchischen Vielfalt mit
den Walzer- und Csárdásmelodien, die sehnsuchtsvoll immer wieder erklingen,
41 | Crittenden weist auf die musikalische Vielfalt der Operette hin, vgl. Crittenden, Camille:
»Durch eine Straußische Operette war man eins geworden«. Austro-Hungarian Relations and
Der Zigeunerbaron. In: Modern Austrian Literature 3 (1999), S. 65-84, hier S. 68ff.
42 | Crittenden bemerkt dazu: »Premiered at a time of growing political and economic ten-
sions, the work propagates an idealized view of Hungarian satisfaction with its role in the
monarchy and perpetuates long-standing national tensions within the divided empire. De-
spite its innovative use of Hungarian national costume and Gypsy musical elements, the
operetta presents a persuasive argument for Austrian hegemony under the Habsburg crown.«
Crittenden: »Durch eine Straußische Operette war man eins geworden«, S. 65. Vgl. auch die
Analyse des Stücks in Csáky: Ideologie der Operette und Wiener Moderne, S. 78-89.
43 | Kálmán: Gräfin Mariza, S. 11.
44 | Sicks, Kai Marcel: Charleston, Girls und Jazztanzbar. Amerikanismus und die Identi-
tätskrise der Operette in den zwanziger Jahren. In: Kohns, Oliver/Roussel, Martin (Hg.): Ein-
schnitte: Identität in der Moderne. Würzburg: Königshausen & Neumann 2007, S. 153-168,
hier S. 165.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur