Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Seite - 137 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 137 - in Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns

Bild der Seite - 137 -

Bild der Seite - 137 - in Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns

Text der Seite - 137 -

Die periphere Genese der österreichischen Kinder- und Jugendliteratur 137 mehr, dass sowohl die Ebene der Kinderbuch-Entwicklung als auch die der Jugend- literatur gerade in ihren Klassikern gänzlich unterschiedliche Verläufe aufweisen, was als genealogische Differenz zu beschreiben wäre. Es bleibt zu konstatieren, dass der Beitrag Deutschlands zum engeren Ensem- ble der Klassiker rein quantitativ eigentlich relativ gering ist. Waldemar Bonsels’ Biene Maja (1912) – im Interpretationsband von Hurrelmann erstaunlicherweise übergangen – ist fraglos eines der wichtigsten Werke der Vorkriegszeit in Deutsch- land. Danach folgt in erheblichem Abstand zum Ersten Weltkrieg Erich Kästner mit Emil und die Detektive (1929) als ein schon vom Schauplatz her und auch durch die Mittelstellung zwischen Kinder- und Jugendbuch gänzlich neuer Typ eines Klassikers. Die kj-literarische Situation in der Schweiz wird anhaltend, aber auch sehr singulär durch Johanna Spyris Heidi (1880/81) vergegenwärtigt. Dieser heute als Kinderroman rezipierte Klassiker wäre über die hier angedeuteten Überlegun- gen hinaus Anlass für eine weitere prinzipielle Beobachtung, dass nämlich man- che der Klassiker ursprünglich im Subsystem der Jugendliteratur konzipiert und rezipiert, jedoch später und besonders durch die heutige mediale Verwertung von der Rezeption her ins Subsystem der Kinderliteratur verschoben wurden. Die in diesem Roman angelegte Autoritätsproblematik wird von Hurrelmann als »Prob- lem der Ablösung, des plötzlichen Verlustes von Vertrautheit«15 dargestellt, also als ein dem Entfremdungsprozess sehr ähnliches Phänomen. Aus dem Mainstream der österreichischen KJ-Literatur in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – banalen Besserungsstücken, religiösen Erbauungs- oder Er- mahnungstexten beziehungsweise der weit verbreiteten kaisertreu-patriotischen KJ-Literatur als Fortschreibung biedermeierlich-staatsbürgerlicher Erziehungs- schriften – hat sich nichts auch nur zu Longsellern entwickelt. Im Vergleich dazu zeigen sich bei dem Ensemble der genannten österreichischen, als Klassiker rele- vanten Werke doch erstaunliche konträre Narrative, die wohl mit ein Grund sind, dass sich ihre Werke aus dem Mainstream abgehoben und erhalten haben. Ge- meinsam ist ihnen eine offenbar bewusste Abkehr von den genannten Erziehungs- klischees mit Bildern von Kindheit und Jugend jenseits dieser gesellschaftlichen Funktionalisierungen. Es finden sich in ihren Werken schlicht andere Erlebnisräu- me, und das sind – an sich nicht überraschend – die Räume der Herkunftsländer ihrer Autorinnen und Autoren, die Erblande der Habsburger Monarchie, Nationen mit nichtdeutscher Muttersprache und zumeist auf einem niedrigeren sozialen Status. Dabei wird auch erkennbar, dass das Genre Kinder- beziehungsweise Ju- gendliteratur für die österreichischen Autorinnen und Autoren eine besondere, neue Funktion hat: Das durch die Verbreitung der internationalen Klassiker erneu- erte Genre wird durch die Thematisierung von Nationalitätenkonflikten erweitert, um in dieser Form, anders als im System der allgemeinen literarischen Entwick- lung, gegen Autoritätsstrukturen anzuschreiben. Die schon genannten und im Folgenden etwas ausführlicher zu behandelnden österreichischen Autorinnen und Autoren sind allesamt in den semikolonialen Erblanden verortet beziehungsweise spiegeln auch ihre Werke diese Topografie wider. In den Grenzen des heutigen Österreich, den ehemaligen Erblanden entsprechend, ist der einzige Repräsentant, der ihnen zur Seite anhaltend als Klassiker zu beurteilen wäre, Peter Rossegger mit dem Roman Als ich noch ein Waldbauernbub war (in drei Teilen 1900–1902 in Leip- 15 | Ebd., S. 202.
zurück zum  Buch Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns"
Transdifferenz und Transkulturalität Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Titel
Transdifferenz und Transkulturalität
Untertitel
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Autoren
Alexandra Millner
Katalin Teller
Verlag
transcript Verlag
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-3248-8
Abmessungen
15.4 x 23.9 cm
Seiten
454
Schlagwörter
transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
Kategorie
Kunst und Kultur
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Transdifferenz und Transkulturalität