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Die periphere Genese der österreichischen Kinder- und Jugendliteratur 147
Zu erwähnen ist auch die Verfilmung des Romans mit Mario Adorf in der
Hauptrolle (im Roman allerdings nur eine Nebenrolle), der in Österreich 2005
zur Aufführung kam.29 Dass in der Verfilmung die ursprünglichen Intentionen
Molnars nochmals in eine ganz andere Richtung gelenkt wurden, nämlich vorran-
gig in eine Liebesgeschichte unter Erwachsenen, muss hier nicht erörtert werden;
es zeigt aber, dass Klassikern mit ihrer vorrangigen Qualität der Zeitlosigkeit ein
Potential eignet, das durch die Zuschreibung einer singulären Ideologie nicht ab-
getan werden kann.
3. KJ-liTeraTur – ein KolleKTiVbiografisches desideraT
In dem skizzierten Nacheinander einer Autortypologie mit dem Fokus auf Kind-
heits- und/oder Jugendadressierungen festigt sich der Eindruck, dass die genann-
ten Autorinnen und Autoren in ihren Schreibanlässen einer unausgesprochenen
gemeinsamen Grundentscheidung folgen. Das wäre weiter nicht überraschend,
kann man doch diese Entscheidung darauf reduzieren, dass sie eben einem Trend,
einer Mode folgend sich auf ein heranwachsendes Publikum einlassen – was letzt-
hin auch als ein womöglich verlagsbedingt kommerzielles Motiv betrachtet werden
kann. Solche Einschätzung hat zur Folge, KJ-Literatur, wie auch heute noch zu
vernehmen, schlicht und pauschal als zielgruppenorientierte Trivialliteratur abzu-
qualifizieren. Es sollte aber erkennbar werden, dass die auffallende Kongruenz von
Adressatenentscheidung und Herkunft der Autorinnen und Autoren, verbunden
mit der Durchsetzung als Longseller, Bestseller oder eben Klassiker, nicht als Zu-
fall abgetan werden kann.
Der Konnex von peripherer Herkunft als Schreibanlass und literarischem Er-
folg beschränkt sich keineswegs nur auf die hier aus neuer, kollektivbiografischer
Perspektive interpretierten Beispiele. Neben den genannten Autorinnen und Auto-
ren, deren Namen und Werke bis heute präsent sind, wäre eine Fülle von weiteren
Beispielen zu nennen, bei denen eben dieser Konnex in gleicher Weise gegeben
ist und die zu ihrer Zeit und darüber hinaus, wenn auch nicht anhaltend bis heu-
te, weite Verbreitung fanden. Am Rande sei erwähnt, dass der zu Lebzeiten und
noch lange danach wohl am weitesten verbreitete Illustrator der österreichischen
Kinderliteratur, Ernst Kutzer (1880–1950), ebenfalls aus Böhmen stammte.30 Man-
che weitere Namen von Autorinnen und Autoren böhmisch-mährischer Herkunft
wären noch zu nennen, die freilich kaum mehr als Klassiker in Erinnerung sind,
wenngleich sie die österreichische Jugendliteratur ihrer Zeit geprägt haben, etwa:
Leo Smolle (1848–1920), der in Böhmen und Mähren als Schulrat wirkte und des-
sen Prinz Eugen (1913) ein Beispiel für das damalige patriotische Schrifttum ist;
Hans Watzlik (1879–1948), der im Gefolge Stifters der Landschaft des Böhmerwal-
des verbunden ist und dessen Märchenbücher auch nach dem Ende der Monarchie
verbreitet waren; oder der ebenfalls aus Böhmen gebürtige Märchendichter Anton
Haubner (1879–1961). Ergänzend ist auch auf Annelies Umlauf-Lamatsch (1895–
1962) zu verweisen, die – auf Schloss Hermsdorf bei Dresden (Sachsen) geboren
– die Volksschule teilweise in Przemyśl (Galizien) besuchte und dann die Höhere
29 | Die Jungen von der Paulstraße. Regie: Maurizio Zaccaro. Österreich 2004.
30 | Vgl. Heller: Die bunte Welt, S. 362.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur